Fristlose Kündigung wegen verspäteter Krankmeldung eines Sicherheitswärters gerechtfertigt


Das Bundesgericht hat mit Urteil vom 1. Dezember 2016 (Aktenzeichen: 4A_521/2016) entschieden, dass die einem Sicherheitswärter gegenüber ausgesprochene fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt war, nachdem der Arbeitnehmer während drei Tagen krank und damit arbeitsunfähig war aber die Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber bzw. Vorgesetzen während drei Tagen nicht gemeldet hatte bzw. die Meldung (Vorlage eines ärztlichen Attests) erst am Tag nach Aussprache der fristlosen Kündigung beim Arbeitgeber eingetroffen ist.

Sachverhalt:
Ein Gleis-Sicherheitswärter (Arbeitnehmer, Kläger) – eine Sicherheitsperson, die bei Gleisarbeiten das Arbeitsteam vor herannahenden Zügen warnt – war vom 1. Juli 2013 bis 31. Dezember 2014 befristet im Rahmen eines Temporärarbeitsverhältnisses (Leih- Arbeitsverhältnis) bei der Beklagten/Beschwerdegnerin (Arbeitgeberin) angestellt und an einen Drittbetrieb (Einsatzbetrieb) verliehen. Ab Montag, 7. Juli 2014, blieb der Arbeitnehmer der Arbeit im Einsatzbetrieb fern. Die Arbeitgeberin versuchte an den darauf folgenden Tagen (8. und 9. Juli 2014) den Arbeitnehmer telefonisch – sowohl auf dessen Geschäfts- als auch auf dessen Privathandy – insgesamt 13 Mal zu erreichen. Die Kontaktaufnahmen der Arbeitgeberin blieben erfolglos. Mit Schreiben vom Mittwoch, 9. Juli 2014, sprach die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Ein Arztzeugnis des Arbeitnehmers ging am Donnerstag, 10. Juli 2014, bei der Arbeitgeberin ein.

Zur Begründung führt das Bundesgericht aus (Erwägungen):
„2.2.1. Nach Art. 337 OR kann der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus wichtigen Gründen jederzeit fristlos auflösen (Abs. 1). Als wichtiger Grund gilt jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf (Abs. 2). Über das Vorhandensein solcher Umstände entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen (Abs. 3).

2.2.2. Nach der Rechtsprechung zu Art. 337 OR ist eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber nur bei besonders schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers gerechtfertigt. Diese müssen einerseits objektiv geeignet sein, die für das
Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tiefgreifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zuzumuten ist, und anderseits auch tatsächlich dazu geführt haben. Sind die Verfehlungen weniger schwerwiegend, müssen sie trotz Verwarnung wiederholt vorgekommen sein (Urteil 4A_109/2016 vom 11. August 2016, E. 4.2, zur Publ. vorgesehen; BGE 130 III 28 E. 4.1 S. 31, 213 E. 3.1 S. 220 f.; 129 III 380 E. 2.1; je mit Hinweisen). Ob die dem Arbeitnehmer vorgeworfene Pflichtverletzung die erforderliche Schwere erreicht, lässt sich nicht allgemein sagen, sondern hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab (Urteil 4A_109/2016 vom 11. August 2016, E. 4.2, zur Publ. vorgesehen; BGE 127 III 153 E. 1a S. 155; 116 II 145 E. 6a S. 150). (…)

2.2.3. Nach Art. 337 Abs. 1 OR kann der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag jederzeit fristlos auflösen. Folglich kann der Arbeitgeber die fristlose Entlassung auch im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers aussprechen, trotz zeitlicher Kündigungsbeschränkung nach Art. 336c Abs. 1 lit. b OR für die ordentliche Kündigung (Urteile 8C_417/2011 vom 3. September 2012 E. 4.3; 4C.247/2006 vom 27. Oktober 2006 E. 2.1). Nach Art. 337 Abs. 3 OR darf das Gericht aber in keinem Fall die unverschuldete Verhinderung des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung als wichtigen Grund für die fristlose Entlassung anerkennen.

(…)

3.4. Da die unverschuldete Verhinderung an der Arbeitsleistung nach Art. 337 Abs. 3 OR keinen Grund für die fristlose Entlassung darstellen kann (dazu Erwägung 2.2.3), kommt als Grund für die fristlose Entlassung einzig in Frage, dass der Beschwerdeführer die Beschwerdegegnerin bzw. den Einsatzbetrieb nicht umgehend über seine Abwesenheit am Arbeitsplatz orientierte. Ob das Beurteilungsgespräch vom 6. Januar 2014 durch den damaligen Vorgesetzten des Beschwerdeführers im Einsatzbetrieb zusammen mit dem vom Beschwerdeführer unterzeichneten Beurteilungsblatt eine Verwarnung im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung darstellen würde (dazu Urteil 4A_188/2014 vom 8. Oktober 2014 E. 2.3), braucht nicht beurteilt zu werden, wenn die Verfehlung des Beschwerdeführers als besonderes schwer zu qualifizieren ist, sodass er auch ohne vorgängige Verwarnung fristlos entlassen werden kann.

3.5. Die Vorinstanz stützte sich für die dem Beschwerdeführer vorgeworfene schwerwiegende Verfehlung einzig auf einen Verstoss gegen das Mitarbeiterhandbuch der Beschwerdegegnerin. Diesbezüglich ist zu ergänzen, dass sich bereits aus der Treuepflicht nach Art. 321a Abs. 1 OR ergibt, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber über nicht vorhersehbare Absenzen, wie beispielsweise eine Krankheit, umgehend zu informieren hat (vgl. Urteile 4C.359/2006 vom 12. Januar 2007 E. 6; 4C.346/2004 vom 15. Februar 2005 E. 5.1). (…)“

Fazit:
Laut Bundesgericht sind Arbeitnehmer bereits aus der allgemeinen gesetzlichen Treuepflicht (Art. 321a Abs. 1 OR) verpflichtet, dem Arbeitgeber umgehend eine unvorhergesehene Absenz (z.B. wegen eines Unfalls oder einer Krankeit) zu melden. Arbeitnehmer, die dies nicht umgehend melden, laufen Gefahr, fristlos gekündigt zu werden. Eine Absenz-Meldung, die erst nach drei Tagen erfolgt, ist in jedem Fall nicht mehr rechtzeitig, so das Gericht. Anders sieht es aus, wenn der Arbeitnehmer bereits zur Absenz-Meldung nicht mehr in der Lage wäre, z.B. wenn der Arbeitnehmer im Koma liegt. Eine Absenz-Meldung des Arbeitnehmers sollte beweissicher erfolgen, also z.B. per SMS, Whatsapp, E-Mail, Fax. Die Mitteilung per Brief dauert in der Regel bereits zu lange. Hiervon unabhängig ist die Frage, ob und wann dem Arbeitgeber ein ärztliches Attest einzureichen ist. Dies hängt insbesondere davon ab, was arbeitsvertraglich vereinbart wurde. Ein ärztliches Attest kann dann aber sehr wohl – innert der arbeitvertraglich vereinbarten Frist – per Post dem Arbeitgeber gesandt werden.

Von Arbeitgebern ist zu beachten, dass mit der Aussprache einer fristlosen Kündigung nach Bekanntwerden des Kündigungsgrundes nicht sehr lange zugewartet werden kann, andernfalls das Recht zur fristlosen Kündigung verwirkt. Im Einzelfall kann bereits ein Zuwarten von mehr als drei Arbeitstagen zur Verwirkung führen.

Quellen:

Art. 321a Abs 1 OR lautet:
1 Der Arbeitnehmer hat die ihm übertragene Arbeit sorgfältig auszuführen und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers in guten Treuen zu wahren.

Art. 337 OR lautet:
1 Aus wichtigen Gründen kann der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer jederzeit das Arbeitsverhältnis fristlos auflösen; er muss die fristlose Vertragsauflösung schriftlich begründen, wenn die andere Partei dies verlangt.1

2 Als wichtiger Grund gilt namentlich jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf.

3 Über das Vorhandensein solcher Umstände entscheidet der Richter nach seinem Ermessen, darf aber in keinem Fall die unverschuldete Verhinderung des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung als wichtigen Grund anerkennen.