Verjährung nicht bezogener Ferienansprüche


Wird ein Ferienanspruch nicht in dem Dienstjahr, in dem er entstanden ist, vom Arbeitnehmer bezogen, besteht Einigkeit darüber, dass diese Ansprüche nicht verwirken, sondern der Verjährung unterliegen (BGE 130 III 25).

Die Verjährungsfrist von Ferienansprüchen beträgt 5 Jahre (Art. 128 Ziffer 3 OR; BBl 1982 III 201 (237); BGE 136 III 94) und beginnt nach Art. 130 Abs. 1 OR mit der Fälligkeit des Anspruchs zu laufen. Fälligkeit tritt grundsätzlich am letzten Tag ein, an dem die restlichen nicht bezogenen Ferientage noch während dem laufenden Dienstjahr bezogen werden könnten (BGE 136 III 94). Der pro Dienstjahr entstehende und fällig werdende Ferienanspruch verjährt damit für jedes Dienstjahr gesondert (vgl. auch BRÜHWILER, JÜRG, Einzelarbeitsvertrag, Kommentar, 3. Aufl., Art. 329c N 1). Gleiches gilt meines Erachtens, wenn statt des Dienstjahres (gesetzlicher Regelfall) arbeitsvertraglich das Kalenderjahr oder das Geschäftsjahr als Ferien-Referenzperiode vereinbart wird.

Häufig anzutreffende Regelungen in Arbeitsverträgen, wonach Ferien bis zu einem bestimmten Monat im nächsten Kalenderjahr bezogen werden müssten, andernfalls sie verfallen würden, sind nach Art. 341 Abs. 2 OR bzw. Art. 129 OR nichtig.

Wenn ein vom Arbeitnehmer nicht bezogenes Ferienguthaben (Restanspruch) am Ende eines Dienstjahres vom Arbeitgeber mitgeteilt wird oder auf das neue Dienstjahr übertragen wird – z.B. wenn der Ferienguthabensaldo jeweils auf den Lohnabrechnungen oder im Arbeitszeiterfassungssystem festgehalten wird – wird vereinzelt in Lehre und Rechtsprechung eine Neuerung einer alten Schuld gestützt auf Art. 117 Abs. 2 OR analog angenommen, was die Verjährungsfrist neu zu laufen beginnen lässt (OGer ZH in JAR 2006 S. 555 E.3.4; OGer ZG in JAR 1983 S. 145; KGer ZG JAR 1983 S. 145, STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Art. 329c N5; BRÜHWILER a.a.O. Art. 329c N 1). Erforderlich ist jedoch eine ausdrückliche Bestätigung des Feriensaldos (vgl. STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar, 7. Aufl. Art. 329c N5).

Auf die Ordnung zur Anrechnung von Schulden (Tilgung) – hier die Ferienschuld des Arbeitgebers – finden die Art. 86 und 87 OR Anwendung (OGer ZH in JAR 2006 S. 555 E. 3.4, so auch KantGer/FR v. 23.09.2015, 102 2015 106 E. 2.a, das von einer analogen Anwendung bezüglich aufgelaufenem Ferienguthaben ausgeht). Die gesetzliche Regelung sieht im Wesentlichen folgende Schuldentilgungsordnung vor:

1. Erklärung des Schuldners (hier des Arbeitgebers) bei Zahlung (d.h. Feriengewährung), welche Schuld er tilgen will (Art. 86 Abs. 1 OR);
2. mangelt es an einer Erklärung im Sinne von Ziffer 1., so wird der Ferienbezug an diejenige Schuld angerechnet, die der Arbeitnehmer bezeichnet (Art. 86 Abs. 2 OR);
3. liegt weder eine Erklärung nach Ziffer 1. noch nach Ziffer 2. vor, so ist der Ferienbezug auf die früher verfallen Schuld anzurechnen (Art. 87 Abs. 1 OR).

Wenn also, was in der Praxis der wohl häufigste Fall sein wird, weder vom Arbeitgeber noch vom Arbeitnehmer erklärt wird, welcher
Ferienanspruch aus welchem Dienstjahr auf die zu beziehenden Ferien angerechnet werden soll, so wird nach Art. 87 Abs. 1 OR automatisch jeweils die frühesten fälligen Ferienansprüche angerechnet. Werden so jeweils die am frühestens verjährenden Ferienansprüche getilgt,
läuft ein Arbeitnehmer weniger Gefahr in die Verjährungsfalle zu laufen.

Zu Gunsten eines Arbeitgebers könnte meines Erachtens arbeitsvertraglich vereinbart werden, dass beim Bezug von
Ferien zunächst der im jeweils selben Dienstjahr entstandene Ferienanspruch angerechnet wird und zweitrangig allfällig bestehende Ferienansprüche, die in einem vorherigen Dienstjahr entstanden und soweit diese nicht verjährt sind.