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Internetrecht

EuGH zur gerichtlichen Zuständigkeit bei Persönlichkeitsverletzungen von Unternehmen im Internet

EuGH zur gerichtlichen Zuständigkeit bei Persönlichkeitsverletzungen von Unternehmen im Internet

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) hat sich in seinem am 17.10.2017 verkündeten Urteil in der Rechtssache C-194/16 «Bolagsupplysningen  vs. Svensk Handel» mit der Frage der gerichtlichen Zuständigkeit bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen von Unternehmen im Internet befasst.

Sachverhalt:

Die Klägerin, die Bolagsypplysningen OÜ, ist ein Unternehmen mit Sitz in Estland, die auch Handel in Schweden betrieb. Die Beklagte – Svensk Handel AB –, eine Gesellschaft in Schweden, in der verschiedene Arbeitgeber des Handelssektors zusammengeschlossen sind, betrieb eine Webseite auf der sich eine „schwarze“ Liste und ein Diskussionsforum befand. Auf dieser Webseite wurden unrichtige Angaben über das estnische Unternehmen veröffentlicht und dieses auf der „schwarzen“ Liste mit dem Vermerk eingetragen, die Bolagsypplysningen betreibe Betrug und Gaunerei. Im Diskussionsforum der Website fänden sich nahezu 1000 Kommentare, darunter direkte Aufrufe zur Gewalt gegen Bolagsupplysningen und ihre Mitarbeiter. Die Svensk Handel habe sich geweigert, den Eintrag und die Kommentare zu entfernen. Dadurch sei die wirtschaftliche Tätigkeit von Bolagsupplysningen in Schweden lahmgelegt, so dass ihr täglich materieller Schaden entstehe. Die Webseite von Svensk Handel war auch in Estland zugänglich, die streitigen Angaben und Kommentare seien jedoch in schwedischer Sprache verfasst und für den Grossteil der in Estland lebenden Personen nicht verständlich.

Das estnische Unternehmen nahm die Svensk Handel AB auf Richtigstellung der Angaben und auf Beseitigung der Kommentare auf der Webseite sowie auf Schadensersatz wegen entgangenem Umsatz in Anspruch und verklagte die Svensk Handel AB vor einem Gericht in Tallinn, der Hauptstadt von Estland. Hiergegen wehrte sich Svensk Handel mit dem Einwand der gerichtlichen Unzuständigkeit estnischer Gerichte.

Streitig war die Auslegung von Artikel 7 Nr. 2 der Brüssel-I-Verordnung. Der estnische Oberste Gerichtshof ersuchte den EuGH daher um Präzisierung von Artikel 7 Nr. 2 Brüssel-I-Verordnung dahingehend, ob im Falle einer unerlaubten Handlung, die über das Internet begangen wurde (sog. Internetdelikt), eine gerichtliche Zuständigkeit nicht nur am Sitz des Verletzers/Schädigers, sondern auch an dem Ort begründet werden kann, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.

„Mittelpunkt der Interessen“ massgeblich

Der EuGH stellte dazu fest (Hervorhebung durch den Verfasser):

„[…]dass eine juristische Person, deren Persönlichkeitsrechte durch die Veröffentlichung unrichtiger Angaben über sie im Internet und durch das Unterlassen der Entfernung sie betreffender Kommentare verletzt worden sein sollen, Klage auf Richtigstellung der Angaben, auf Verpflichtung zur Entfernung der Kommentare und auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens bei den Gerichten des Mitgliedstaats erheben kann, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen befindet.

 Übt die betreffende juristische Person den größten Teil ihrer Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihres satzungsmäßigen Sitzes aus, kann sie den mutmaßlichen Urheber der Verletzung unter Anknüpfung an den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs in diesem anderen Mitgliedstaat verklagen.“

Der EuGH stellt bei der der Frage der gerichtlichen Zuständigkeit bei Internetdelikten auf den Mittelpunkt der Interessen des Unternehmens ab und führt damit seine in Bezug auf natürliche Personen entwickelte Rechtsprechung zu Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet (vgl. Urteil vom 25. Oktober 2011 «eDate Advertising», C-509/09 und C-161/10) fort und dehnt diese nun ausdrücklich auch auf juristische Personen aus.

Zur Konkretisierung des Mittelpunktes der Interessen des Unternehmens führen die Richter in Luxemburg aus (E. 41):

„Bei einer juristischen Person, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, wie der Klägerin des Ausgangsverfahrens, muss der Mittelpunkt der Interessen den Ort widerspiegeln, an dem ihr geschäftliches Ansehen am gefestigsten ist. Er ist daher anhand des Ortes zu bestimmen, an dem sie den wesentlichen Teil ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit ausübt. Der Mittelpunkt der Interessen einer juristischen Person kann zwar mit dem Ort ihres satzungsmäßigen Sitzes zusammenfallen, wenn sie in dem Mitgliedstaat, in dem sich dieser Sitz befindet, ihre gesamte oder den wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt und deshalb das Ansehen, über das sie dort verfügt, größer ist als in jedem anderen Mitgliedstaat, doch ist der Ort des Sitzes für sich genommen im Rahmen einer solchen Prüfung kein entscheidendes Kriterium.“

Im vorliegenden Fall lag der Mittelpunkt der Interessen des klägerischen Unternehmens im Sinne der Rechtsprechung des EuGH in Estland – die estnischen Gerichte waren damit zuständig für Klagen auf Berichtigung, Beseitigung und Schadensersatz.

Kein Kriterium bildete die Sprache und die Ausrichtung der Webseite – hier schwedische Sprache mit Ausrichtung auf Leser aus Schweden.

Was bedeutet dieses Urteil für die Schweiz?

Der EuGH hatte sich im vorliegenden Fall mit der Auslegung von Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – sogenannte ‚Brüssel-I-Verordnung‘ zu befassen. Diese Verordnung gilt für die Schweiz bekanntlich nicht. Allerdings ist die Schweiz Vertragsstaat des Lugano Übereinkommens (LugÜ), welches in Art. 5 Ziffer 3. des LugÜ eine identische Regelung gerichtlicher Zuständigkeiten für unerlaubte Handlungen vorsieht wie der vom EuGH im vorliegenden Fall auszulegende Art. 7 Nr. 2 Brüssel-I-Verordnung. Das LugÜ ist zwar vertragsautonom auszulegen, allerdings sieht es in Art. 1 Nr. 1 des Protokoll 2 des LugÜ vor, dass die Rechtsprechung des EuGH und der Gerichte der anderen Vertragsstaaten zum LugÜ und zur Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates und zu deren jeweiligen Vorgängererlassen gebührend zu berücksichtigen sind. Die Rechtsprechung des EuGH zu Parallelerlassen zum LugÜ wird denn auch vom Schweizerischen Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. BGE 138 III 386 ff. E. 2.4) bei der Auslegung des LugÜ berücksichtigt, selbst wenn das Bundesgericht die Begründung des EuGH für wenig überzeugend erachtet (vgl. BGE 124 III 188 ff. E. 4b.).

Damit hat das vorliegende Urteil des EuGH unmittelbare Relevanz für Unternehmen in der Schweiz, die sich mit persönlichkeitsrechtsverletzenden bzw. unerlaubten Handlungen, die über das Internet begangen werden, konfrontiert sehen.

Daraus folgt, dass ein Schweizer Unternehmen, dessen Mittelpunkt seiner wirtschaftlichen Interessen in der Schweiz liegt, und das durch eine im Geltungsbereich des LugÜ liegenden Verletzer im Internet – etwa über eine Webseite, Internetportal, Bewertungsplattformen, social-media-Plattformen (facebook, xing & Co) oder Foren – in seinen geschäftlichen Ansehen beeinträchtigt wird, in der Schweiz klagen kann. Derartige unerlaubte Handlungen können sich aus schlechten Bewertungen, falschen Tatsachenbehauptungen oder rufschädigenden Äusserungen ergeben. Für die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen ist es im Übrigen unerheblich, ob lediglich Kommentare Dritter auf der Plattform widergegeben werden, der Plattformbetreiber also selber nicht der Urheber der verletzenden Äusserung ist. Weiter spielt es keine Rolle, ob die verletzenden Äusserungen in einer Schweizer Landessprache oder in einer anderen Sprache, z.B. Spanisch oder Englisch, abgefasst sind. Weiter spielt es auch keine Rolle, ob sich die Webseite erkennbar nur an ein Publikum des jeweiligen Landes oder der jeweiligen Sprachregion richtet.

Auskunftspflicht von YouTube & Google über E-Mail-Adressen bei Urheberrechtsverstoss Dritter

Auskunftspflicht von YouTube & Google über E-Mail-Adressen bei Urheberrechtsverstoss Dritter

Presseinformation des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. September 2017

Oberlandesgericht Frankfurt am Main: YouTube und Google müssen E-Mail-Adresse ihrer Nutzer bei Urheberrechtsverstoß mitteilen

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichtem Urteil YouTube und Google verpflichtet, die E-Mail-Adresse ihrer Nutzer im Fall einer Urheberrechtsverletzung bekanntzugeben. Zugleich hat es festgestellt, dass über die Telefonnummer und die zugewiesene IP-Adresse keine Auskunft zu erteilen ist.


Die Klägerin ist eine deutsche Filmverwerterin. Sie besitzt die ausschließlichen Nutzungsrechte an zwei Filmen, die von drei verschiedenen Nutzern der Plattform YouTube öffentlich angeboten und jeweils mehrere tausendmal abgerufen wurden. Die Nutzer handelten unter einem Pseudonym.

 

Die Klägerin möchte diese Nutzer wegen der Verletzung ihrer Urheberrechte in Anspruch nehmen. Sie hatte deshalb zunächst von den beklagten Unternehmen YouTube und Google die Angabe der Klarnamen und der Postanschrift der Nutzer begehrt. Nachdem die Beklagten erklärt hatten, dass diese Angaben ihnen nicht vorlägen, verfolgt sie diesen Anspruch nicht weiter.

 

Sie begehrt nunmehr noch Auskunft über die E-Mail Adressen, Telefonnummern und die IP-Adressen.

 

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass kein Anspruch auf Bekanntgabe dieser Daten bestünde. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

 

Das OLG hat die Beklagten unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils verpflichtet, die E-Mail-Adressen bekanntzugeben. Die Telefonnummern und maßgeblichen IP-Adressen müssen dagegen auch nach Ansicht des OLG nicht mitgeteilt werden.

 

Zur Begründung führt das OLG aus, die Beklagten hätten für die von den Nutzern begangenen Rechtsver-letzungen gewerbsmäßig Dienstleistungen (§ 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG) zur Verfügung gestellt. Sie seien damit gemäß § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG verpflichtet, Auskunft über „Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Vervielfältigungsstücke (…)“ zu erteilen. Unter den Begriff der „Anschrift“ falle auch die E-Mail-Adresse. Den Begriffen „Anschrift“ und “Adresse“ komme keine un-terschiedliche Bedeutung zu. „Dass mit der Bezeichnung „Anschrift“ im Deutschen ursprünglich ledig-lich die Postanschrift gemeint war, ist historisch begründet“, so das OLG. Es gehe allein um die Angabe des Ortes, an dem man jemanden „anschreiben“ könnte. Die gewählte Formulierung der „Anschrift“ gehe zudem auf das Jahr 1990 zurück. Zu diesem Zeitpunkt habe der E-Mail-Verkehr „kaum eine praktische Bedeutung“ gehabt. Setze man demnach „Anschrift“ mit „Adresse“ gleich, erfasse dies eindeutig auch die E-Mail-Adresse. Auch hier handele es sich um eine Angabe, „wohin man schreiben muss, damit das Ge-schriebene den Empfänger erreicht“. Nur dieses Begriffsverständnis trage den geänderten Kommunikati-onsgewohnheiten und dem Siegeszug des elektronischen Geschäftsverkehrs hinreichend Rechnung.

 

Telefonnummer und IP-Adresse seien dagegen nicht vom Auskunftsanspruch umfasst. Nach dem allge-meinen Sprachgebrauch verkörperten „Anschrift“ einerseits und „Telefonnummer“ andererseits unter-schiedliche Kontaktdaten. Der von der Klägerin eingeführte Begriff der „Telefonanschrift“ sei auch nicht gebräuchlich.

 

Bei IP-Adressen handele es sich – trotz des Wortbestandteils „Adresse“ – bereits deshalb nicht um eine „Anschrift“, da der IP-Adresse keinerlei Kommunikationsfunktion zukomme. Sie diene allein der Identifizierung des Endgerätes, von dem aus eine bestimmte Webseite aufgerufen werde.

 

Das Urteil ist nicht rechtskräftig; das OLG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Es kann in Kürze im Volltext unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de abgerufen werden.

 

Oberlandesgericht von Frankfurt am Main, Urteil vom 22.8.2017, AZ 11 U 71/16 (vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 3.5.2016, AZ 2/3 O 476/13)

Erläuterung:
Aus dem in Bezug genommenen Tatbestand des landgerichtlichen Urteils ergibt sich u.a. Folgendes: Auf der Internetplattform von YouTube können audiovisuelle Beiträge von Dritten eingestellt und anderen unentgeltlich zugänglich gemacht werden. Die Nutzer müssen sich vor einem Upload anmelden. Anzuge-ben ist zwingend ein Name, eine E-Mail-Adresse sowie das Geburtsdatum. Für die Anmeldung benötigt man ein Nutzerkonto bei Google, dem Mutterkonzern von YouTube.

 

§ 101 [1] Anspruch auf Auskunft
(1) 1Wer in gewerblichem Ausmaß das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse in Anspruch genommen werden. 2Das gewerbliche Ausmaß kann sich sowohl aus der Anzahl der Rechtsverletzungen als auch aus der Schwere der Rechtsverletzung ergeben.

 

(2) 1In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Verletzte gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Absatz 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß
1. rechtsverletzende Vervielfältigungsstücke in ihrem Besitz hatte,
2. rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch nahm,
3. für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte oder
4. nach den Angaben einer in Nummer 1, 2 oder Nummer 3 genannten Person an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb solcher Vervielfältigungsstücke, sonstigen Erzeugnisse oder Dienstleistungen beteiligt war,
es sei denn, die Person wäre nach den §§ 383 bis 385 der Zivilprozessordnung im Prozess gegen den Verletzer zur Zeugnisver-weigerung berechtigt. 2Im Fall der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs nach Satz 1 kann das Gericht den gegen den Verletzer anhängigen Rechtsstreit auf Antrag bis zur Erledigung des wegen des Auskunftsanspruchs geführten Rechtsstreits aussetzen. 3Der zur Auskunft Verpflichtete kann von dem Verletzten den Ersatz der für die Auskunftserteilung erforderlichen Aufwendungen verlangen.

 

(3) Der zur Auskunft Verpflichtete hat Angaben zu machen über
1. Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse, der Nutzer der Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, und
2. die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Er-zeugnisse sowie über die Preise, die für die betreffenden Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse bezahlt wurden.

 

Quellen:

BGer 4A_115/2017: Urheberschutz für ‚HfG-Barhocker‘ von Max Bill

BGer 4A_115/2017: Urheberschutz für ‚HfG-Barhocker‘ von Max Bill

Das Schweizerische Bundesgericht hatte in einem Beschwerdeverfahren (Aktenzeichen: 4A_115/2017) über den Urheberschutz des ‚HfG-Barhockers‘ von Max Bill, einem ursprünglich für die Hochschule für Gestaltung (HfG) Ulm geschaffenen Barhocker, zu entscheiden. Mit Urteil vom 12. Juli 2017 (Aktenzeichen: 4A_115/2017)  sprach sie dem Barhocker Urheberschutz als Werk der angewandten Kunst im Sinne des Art. 2 Abs. 2 lit. f. Urheberrechtsgesetz (URG) zu.

Was war passiert?

Eine Stiftung, die die Wahrung der Werke von Max Bill bezweckt, hatte einer Möbelfabrik im Rahmen eines Lizenzvertrages das ausschliessliche Recht zur Herstellung und zum Vertrieb bestimmter von Max Bill entworfener Möbel eingeräumt. Dieser Lizenzvertrag wurde seitens der Stiftung zunächst ordentlich und dann fristlos im Jahr 2011 gekündigt. Hiergegen opponierte die Möbelfabrik und vertrat die Meinung, an den streitgegenständlichen Möbeln (u.a. der HfG-Barhocker) bestünden keine Schutzrechte. In der Folge bot die Möbelfabrik den streitgegenständlichen HfG-Barhocker weiterhin auf ihrer Webseite an. Die Stiftung schloss mit einer anderen Möbelmanufaktur einen neuen exklusiven Lizenzvertrag zur Re-Edition der gesamten „Max-Bill-Kollektion“.

Die Stiftung erhob vor dem Handelsgericht St. Gallen Klage und nahm die Möbelfabrik u.a. auf Unterlassung in Anspruch. Dieses verwehrte mit Urteil vom 30. November 2016 dem HfG-Barhocker den urheberrechtlichen Schutz im Wesentlichen mit der Begründung, die Formgebung des Hockers bestehe aus vorbekannten Elementen, die auf das absolute Minimum reduziert seien, so dass für weitere formale Ausgestaltungen kein Spielraum bleibe bzw. sich die Formgebung künstlerisch gar nicht mehr individualisieren lasse (vgl. Erwägung 2.7 des Bundesgerichts).

Das Bundesgericht führte zur Begründung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit des Barhockers u.a. aus:

2.1. (…) Geschützt ist, was sich als individuelle oder originelle Schöpfung von den tatsächlichen oder natürlichen Vorbedingungen im Rahmen der Zweckbestimmung abhebt (BGE 125 III 328 E. 4b S. 331; 117 II 466 E. 2a). Diktiert allerdings der Gebrauchszweck die Gestaltung durch vorbekannte Formen derart, dass für individuelle oder originelle Merkmale praktisch kein Raum bleibt, liegt ein rein handwerkliches Erzeugnis vor, das vom Schutz des Urheberrechts auszunehmen ist (BGE 125 III 328 E. 4b S. 331; 117 II 466 E. 2a; 113 II 190 E. I.2a S. 197; je mit Hinweisen). Dabei werden nach der Rechtsprechung bei Werken der angewandten Kunst verhältnismässig hohe Anforderungen an die Individualität gestellt; im Zweifel ist danach auf eine rein handwerkliche Leistung zu erkennen (BGE 113 II 190 E. I.2a S. 197 mit Hinweis; bestätigt im Urteil 4A_78/2011 vom 2. Mai 2011 E. 2.4).“

„2.2. Für Sitzmöbel besteht eine Vielzahl möglicher Formen, weshalb sich nicht sagen lässt, ihre Gestaltung sei weitgehend oder gar ausschliesslich durch deren Zweck vorgegeben. Es ist denn auch in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass sie urheberrechtlichen Schutz geniessen können (BGE 113 II 190 E. I.2a S. 197 mit Hinweisen). Erforderlich und hinreichend ist für diesen Schutz, dass über eine rein handwerkliche oder industrielle Arbeit hinaus eine individuelle künstlerische Gestaltung erkennbar ist, die sich von den vorbekannten Formen deutlich unterscheidet, was namentlich zutrifft, wenn sich das Möbelstück von bisherigen Stilrichtungen klar abhebt und eine neue Richtung einleitet oder wesentlich mitbestimmt (BGE 113 II 190 E. I.2a S. 197; vgl. auch BGE 134 III 547 E. 2 S. 549). Die Vorinstanz hat im vorliegenden Fall unter Bezugnahme auf das von ihr eingeholte Gutachten verneint, dass der HfG-Barhocker einen Stil wesentlich mitgeprägt habe. Der Hocker zeichnet sich nach den Erwägungen im angefochtenen Urteil durch seine reduzierte Formgebung aus, wobei das Konzept des Barhockers definiert wird als Verbindung einer runden Sitzfläche mit leicht schräg gestellten Beinen und einem Ring, der die Konstruktion stabilisiert und gleichzeitig als Fussstütze dient. Die Vorinstanz stellt fest, dass dieses Konzept zum Zeitpunkt der Entwicklung des HfG-Barhockers bekannt war und führt namentlich vier ältere Modelle an, in denen nahezu alle Bestandeselemente des HfG-Barhockers auf die eine oder andere Weise enthalten waren, wobei unerheblich sei, ob die Hocker drei- oder vierbeinig ausgestaltet seien, da die gemeinsame Urform mit ihren schräg in das Sitzbrett eingepassten Beinstollen weitere Varianten gleichsam vorgebe. Die Vorinstanz fügt zudem an, dass in etwa der gleichen Zeit ein Barhocker von Robin Day hergestellt wurde, dessen einziger Unterschied darin bestehe, dass die Stahlrohre unterhalb der Sitzfläche mittig zusammenlaufen, während sie beim HfG-Barhocker etwas auf Distanz gesetzt sind.“

„2.4. Die Beschwerdeführerin rügt zu Recht, die Vorinstanz habe eine unzulässige „mosaikartige“ Betrachtung angewandt, indem sie den vorbekannten Formenschatz in einzelne Elemente zergliedert und diese miteinander verglichen habe. Für den urheberrechtlichen Schutz entscheidend ist der künstlerische Eindruck der Formgebung, der nicht die notwendige oder gar ausschliessliche Folge eines einzelnen Bauelementes ist, sondern durch die Gestaltung, Linienführung und das Zusammenwirken aller Elemente bestimmt wird. Dabei kann zwar die Gestaltung eines Elementes dominieren und so hervorstechen, dass es prägend wirkt. Aber der Vergleich einzelner Elemente ist nicht entscheidend (vgl. BGE 113 II 190 E. I.2b S. 198). Nicht entscheidend ist jedenfalls, dass einzelne Elemente vorbekannt sind.“

„2.8.1. Die Vorinstanz hat den Gebrauchszweck, in dessen Rahmen vorbekannte Formen der Gestaltung zu berücksichtigen sind, zutreffend als Barhocker definiert. Die praktische Anwendung besteht in der Möglichkeit, die an einer Bar servierten Getränke und Speisen sitzend zu konsumieren; die Sitzflächen müssen daher auf einer Höhe angebracht sein, die der sitzenden Person die bequeme Erreichbarkeit der Angebote auf der Bar gewährleistet. Da Bars regelmässig für Konsumationen durch stehende Personen eingerichtet sind, sind sie etwa eine Treppenstufe höher als die üblichen Tische; entsprechend müssen die Sitzflächen um etwa eine Treppenstufe höher liegen als diejenigen für die Konsumation an Tischen. Um die Sitzfläche zu erreichen, muss eine Aufstiegsmöglichkeit bestehen. Der Gebrauchsgegenstand Barhocker ist daher so konzipiert, dass eine Sitzfläche auf Trägern in einer Höhe angebracht ist, die durch einen Aufstieg in Höhe einer Stufe erreicht werden kann; dabei hat sich herausgebildet, die Aufstiegsmöglichkeit durch eine horizontale Leiste ausserhalb oder innerhalb der Träger zu gewährleisten: diese dient gleichzeitig der Stabilisierung der Träger und erlaubt ausserdem der sitzenden Person, die Füsse darauf zu stellen.

2.8.2. Die Elemente, welche einen Barhocker seiner Funktion nach charakterisieren, bestehen somit aus Trägern, welche eine Sitzgelegenheit in Höhe von 60-80 cm tragen und um die auf einer Höhe von ca. 20 cm ab Boden eine horizontale Leiste angebracht ist. Der Spielraum für die Gestaltung von Hockern, welche diese Elemente aufweisen, ist nicht sehr eingeschränkt, wie schon die im angefochtenen Urteil als vorbekannt angeführten Formen zeigen (vgl. vorn B.b). Die Träger müssen nicht – in unterschiedlichem Winkel – abgeschrägt sein, sondern können auch völlig senkrecht ausgestaltet sein (in diesem Fall aus Gründen der Stabilität wohl am äusseren Rand der Sitzfläche). Die Sitzfläche ihrerseits kann unterschiedlich geformt sein (z.B. Rechtecke, runde oder ovale Formen, mit oder ohne Lehne). Die Leisten können eckig oder rund, innerhalb oder ausserhalb der Träger montiert sein. Ausserdem kann Materialwahl oder Farbgebung den Gesamteindruck der Gestaltung eines Barhockers wesentlich verändern.“

 

Fazit des Bundesgerichts:

 

„2.8.5. Durch die „minimalistische“ Ausgestaltung der für einen Barhocker notwendigen Elemente und ihre aufeinander abgestimmte Proportionierung erweckt der HfG-Barhocker einen Gesamteindruck, der ihn als solchen individualisiert und von den vorbekannten Modellen deutlich abhebt. Der urheberrechtliche Schutz kann diesem Werk angewandter Kunst daher nicht versagt werden. (…)“

 

Quellen:

BGH zur Zulässigkeit der Speicherung dynamischer IP-Adressen

BGH zur Zulässigkeit der Speicherung dynamischer IP-Adressen

Pressemitteilung Nr. 74/2017 des Bundesgerichtshofs

Bundesgerichtshof zur Zulässigkeit der Speicherung von dynamischen IP-Adressen

Urteil vom 16. Mai 2017 – VI ZR 135/13

Der Kläger verlangt von der beklagten Bundesrepublik Deutschland Unterlassung der Speicherung von dynamischen IP-Adressen. Dies sind Ziffernfolgen, die bei jeder Einwahl vernetzten Computern zugewiesen werden, um deren Kommunikation im Internet zu ermöglichen. Bei einer Vielzahl allgemein zugänglicher Internetportale des Bundes werden alle Zugriffe in Protokolldateien festgehalten mit dem Ziel, Angriffe abzuwehren und die strafrechtliche Verfolgung von Angreifern zu ermöglichen. Dabei werden unter anderem der Name der abgerufenen Seite, der Zeitpunkt des Abrufs und die IP-Adresse des zugreifenden Rechners über das Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs hinaus gespeichert. Der Kläger rief in der Vergangenheit verschiedene solcher Internetseiten auf.

Mit seiner Klage begehrt er, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ihm zugewiesene IP-Adressen über das Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs hinaus zu speichern. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht dem Kläger den Unterlassungsanspruch nur insoweit zuerkannt, als er Speicherungen von IP-Adressen in Verbindung mit dem Zeitpunkt des jeweiligen Nutzungsvorgangs betrifft und der Kläger während eines Nutzungsvorgangs seine Personalien angibt. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt.

Der Bundesgerichtshof (vgl. Pressemitteilung Nr. 152/2014) hat mit Beschluss vom 28. Oktober 2014 – VI ZR 135/13, VersR 2015, 370 das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof zwei Fragen zur Auslegung der EG-Datenschutz-Richtlinie zur Vorabentscheidung vorgelegt. Nachdem der Gerichtshof mit Urteil vom 19. Oktober 2016 – C-582/14, NJW 2016, 3579 die Fragen beantwortet hat, hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs nunmehr mit Urteil vom 16. Mai 2017 über die Revisionen der Parteien entschieden. Diese hatten Erfolg und führten zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Auf der Grundlage des EuGH-Urteils ist das Tatbestandsmerkmal „personenbezogene Daten“ des § 12 Abs. 1 und 2 TMG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 BDSG richtlinienkonform auszulegen: Eine dynamische IP-Adresse, die von einem Anbieter von Online-Mediendiensten beim Zugriff einer Person auf eine Internetseite, die dieser Anbieter allgemein zugänglich macht, gespeichert wird, stellt für den Anbieter ein (geschütztes) personenbezogenes Datum dar.

Als personenbezogenes Datum darf die IP-Adresse nur unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 TMG gespeichert werden. Diese Vorschrift ist richtlinienkonform entsprechend Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46 EG – in der Auslegung durch den EuGH – dahin anzuwenden, dass ein Anbieter von Online-Mediendiensten personenbezogene Daten eines Nutzers dieser Dienste ohne dessen Einwilligung auch über das Ende eines Nutzungsvorgangs hinaus dann erheben und verwenden darf, soweit ihre Erhebung und ihre Verwendung erforderlich sind, um die generelle Funktionsfähigkeit der Dienste zu gewährleisten. Dabei bedarf es allerdings einer Abwägung mit dem Interesse und den Grundrechten und -freiheiten der Nutzer.

Diese Abwägung konnte im Streitfall auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend vorgenommen werden. Das Berufungsgericht hat keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die Speicherung der IP-Adressen des Klägers über das Ende eines Nutzungsvorgangs hinaus erforderlich ist, um die (generelle) Funktionsfähigkeit der jeweils in Anspruch genommenen Dienste zu gewährleisten. Die Beklagte verzichtet nach ihren eigenen Angaben bei einer Vielzahl der von ihr betriebenen Portale mangels eines „Angriffsdrucks“ darauf, die jeweiligen IP-Adressen der Nutzer zu speichern. Demgegenüber fehlen insbesondere Feststellungen dazu, wie hoch das Gefahrenpotential bei den übrigen Online-Mediendiensten des Bundes ist, welche der Kläger in Anspruch nehmen will. Erst wenn entsprechende Feststellungen hierzu getroffen sind, wird das Berufungsgericht die nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs gebotene Abwägung zwischen dem Interesse der Beklagten an der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit ihrer Online-Mediendienste und dem Interesse oder den Grundrechten und -freiheiten des Klägers vorzunehmen haben. Dabei werden auch die Gesichtspunkte der Generalprävention und der Strafverfolgung gebührend zu berücksichtigen sein.

Vorinstanzen:

AG Tiergarten – Urteil vom 13. August 2008 – 2 C 6/08

LG Berlin – Urteil vom 31. Januar 2013 – 57 S 87/08

Karlsruhe, den 16. Mai 2017

* § 12 Telemediengesetz – Grundsätze

(1) Der Diensteanbieter darf personenbezogene Daten zur Bereitstellung von Telemedien nur erheben und verwenden, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, es erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat.

(2) …

** § 15 Telemediengesetz – Nutzungsdaten

(1) Der Diensteanbieter darf personenbezogene Daten eines Nutzers nur erheben und verwenden, soweit dies erforderlich ist, um die Inanspruchnahme von Telemedien zu ermöglichen und abzurechnen (Nutzungsdaten)…


BGH zur Mietwagen-App „UBER Black“

BGH zur Mietwagen-App „UBER Black“

Pressemitteilung Nr. 78/2017 des Bundesgerichtshofs vom 18.05.2017

Bundesgerichtshof legt Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Zulässigkeit der Mietwagen-App „UBER Black“ vor

Beschluss vom 18. Mai 2017 – I ZR 3/16 – Mietwagen-App

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute im Zusammenhang mit der Vermittlung von Mietwagen über die App „UBER Black“ dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Der Kläger ist Taxiunternehmer in Berlin. Die Beklagte, ein Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden, bot die Applikation „UBER Black“ für Smartphones an, über die Mietwagen mit Fahrer bestellt werden konnten. Dabei erhielt der Fahrer, dessen freies Mietfahrzeug sich zum Zeitpunkt des Auftrags am Nächsten zum Fahrgast befand, den Fahrauftrag unmittelbar vom Server der Beklagten. Zeitgleich benachrichtigte die Beklagte das Mietwagenunternehmen per E-Mail.

Der Kläger hält das Angebot der Beklagten wegen Verstoßes gegen das Rückkehrgebot für Mietwagen (§ 49 Absatz 4 Personenbeförderungsgesetz (PBefG)* für wettbewerbswidrig. Er hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten blieb ohne Erfolg. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Unionsrechts ab. Der Bundesgerichtshof hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Die Verwendung der beanstandeten Version der App „UBER Black“ verstößt gegen § 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG. Nach dieser Bestimmung dürfen mit Mietwagen nur Fahraufträge ausgeführt werden, die zuvor am Betriebssitz des Unternehmens eingegangen sind. Dagegen können Fahrgäste den Fahrern von Taxen unmittelbar Fahraufträge erteilen. Die Bedingung, dass Fahraufträge für Mietwagen zunächst am Betriebssitz des Unternehmers eingehen müssen, ist nicht erfüllt, wenn der Fahrer unmittelbar den Fahrauftrag erhält, auch wenn das Unternehmen, das den Mietwagen betreibt, zeitgleich unterrichtet wird. Dabei ist es unerheblich, ob die unmittelbare Auftragserteilung an den Fahrer durch die Fahrgäste selbst oder – wie im Streitfall – über die Beklagte erfolgt.

In dieser Auslegung ist § 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG gegenüber den Mietwagenunternehmen und der Beklagten eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Berufsausübungsregelung. Sie ist zum Schutz des Taxiverkehrs gerechtfertigt, für den feste Beförderungstarife und Kontrahierungszwang gelten.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die eigene Tätigkeit der Beklagten dem Personenbeförderungsgesetz unterfällt. Für die Wettbewerbsverstöße der mit ihr kooperierenden Mietwagenunternehmer und der Fahrer haftet die Beklagte als Teilnehmerin.

Fraglich ist jedoch, ob unionsrechtliche Bestimmungen einem Verbot von „UBER Black“ entgegenstehen. Bedenken gegen ein Verbot könnten sich allein aus den Vorschriften der Union zur Dienstleistungsfreiheit ergeben. Diese Bestimmungen finden aber keine Anwendung auf Verkehrsdienstleistungen. Zu der für die gesamte Union einheitlich zu beantwortenden Frage, ob die Vermittlungstätigkeit der Beklagten in ihrer konkreten Ausgestaltung eine Verkehrsdienstleistung darstellt, besteht noch keine Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Da sich diese Frage nicht ohne weiteres beantworten lässt, hat der Bundesgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob der Dienst der Beklagten eine Verkehrsdienstleistung ist.

Sollte der Gerichtshof der Europäischen Union eine Verkehrsdienstleistung verneinen, stellt sich im vorliegenden Verfahren die weitere Frage, ob es aus Gründen der öffentlichen Ordnung nach Art. 16 der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt unter den gegenwärtigen Verkehrsverhältnissen gerechtfertigt sein kann, eine App der im Streitfall beanstandeten Art zu untersagen, um die Wettbewerbs- und Funktionsfähigkeit des Taxenverkehrs zu erhalten.

Beim Gerichtshof der Europäischen Union ist bereits ein Vorabentscheidungsersuchen des Handelsgerichts Barcelona (C-434/15) anhängig, das den Dienst UberPop betrifft, bei dem Privatpersonen in ihren eigenen Fahrzeugen Fahrgäste ohne behördliche Genehmigung befördern. In diesem Verfahren hat der Generalanwalt die Schlussanträge am 11. Mai 2017 vorgelegt. Im Hinblick auf Unterschiede im Sachverhalt in beiden Verfahren ist jedoch nicht absehbar, ob die Antworten auf die im Streitfall aufgeworfenen Fragen der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem Vorlageverfahren aus Barcelona zu entnehmen sein werden. Der Bundesgerichtshof hat deshalb ein eigenes Vorabentscheidungsersuchen gestellt.

Vorinstanzen:

LG Berlin – Urteil vom 9. Februar 2015 – 101 O 125/14

KG – Urteil vom 11. Dezember 2015 – 5 U 31/15

Karlsruhe, den 18. Mai 2017

* § 49 Absatz 4 PBefG lautet:

Verkehr mit Mietwagen ist die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, die nur im ganzen zur Beförderung gemietet werden und mit denen der Unternehmer Fahrten ausführt, deren Zweck, Ziel und Ablauf der Mieter bestimmt und die nicht Verkehr mit Taxen […] sind. Mit Mietwagen dürfen nur Beförderungsaufträge ausgeführt werden, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind. Nach Ausführung des Beförderungsauftrages hat der Mietwagen unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren, es sei denn, er hat vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder der Wohnung oder während der Fahrt fernmündlich einen neuen Beförderungsauftrag erhalten. […] Annahme, Vermittlung und Ausführung von Beförderungsaufträgen, das Bereithalten des Mietwagens sowie Werbung für Mietwagenverkehr dürfen weder allein noch in ihrer Verbindung geeignet sein, zur Verwechslung mit dem Taxenverkehr zu führen. […]


Quelle:

BGH: Schadensersatz bei Ausfall des Internetanschlusses

BGH: Schadensersatz bei Ausfall des Internetanschlusses

Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem heute ergangenen Urteil (Urteil vom 24.01.2013 – III ZR 98/12) über einen Anspruch auf Schadensersatz gegen einen Internetdiensteanbieter aufgrund Ausfall eines Internetanschlusses zu befinden.

Zum Sachverhalt:
Der Kläger, ein Kunde eines Internetproviders, konnte aufgrund eines Fehlers bei der Tarifumstellung bei dem beklagten Telekommunikationsunternehmen während zwei Monaten seinen DSL-Internetanschluss nicht nutzen. Diesen Anschluss nutzte der Kläger für die Telefon- und Telefaxkommunikation mittels Voice und Fax over IP (VoIP). Der Kläger verlangte aufgrund des Ausfalls die Mehrkosten eines Wechsels zu einem anderen Anbieter und für die Nutzung eines Mobiltelefons. Darüber hinaus machte er Schadensersatz für den Wegfall der Nutzungsmöglichkeit seines Internetanschlusses für die Festnetztelefonie und für den Telefax- und Internetverkehr geltend.

Zur Rechtsprechung:
In der bislang zu diesem Urteil einzig veröffentlichten Pressemitteilung vom 24.01.2013 äussert sich der BGH zur Frage des Ersatzes für den Ausfall von Nutzungsmöglichkeiten folgendermassen:

„Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Ersatz für den Ausfall der Nutzungsmöglichkeit eines Wirtschaftsguts grundsätzlich Fällen vorbehalten bleiben, in denen sich die Funktionsstörung typischerweise als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt.“

Ein solche signifikante Auswirkung auf die Lebenshaltung lehnte der BGH für Festnetztelefonie ab, soweit dem Geschädigten ein gleichwertiger Ersatz zur Verfügung steht, wofür ihm, wie im vorliegenden Fall gegeben, der anfallende Mehraufwand ersetzt wird. Ebenfalls lehnte der BGH eine solche Auswirkung in Bezug auf die Ausfall der Telefaxnutzung für den (in casu) privaten Bereich ab, da hierfür Alternativen wie die Versendung mittels physischer oder elektronischer Post (E-Mail) zur Verfügung stünden.

Für darüber hinausgehende Nutzungsmöglichkeiten des Internets etwa zu Zwecken der Unterhaltung oder der Information hat der BGH jedoch einen Schadensersatzanpruch dem Grunde nach zuerkannt. Hierzu führt der BGH in seiner Pressemitteilung aus:

„Damit hat es sich zu einem die Lebensgestaltung eines Groβteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht.“

Das vollständige Urteil steht noch aus.


Quelle:
Pressemitteilung Nr. 14/2013 des Bundesgerichtshofs vom 24.01.2013 zum Urteil vom 24.01.2013 (Az. III ZR 98/12)

BGH: Filesharing-Haftung der Eltern für ihre minderjährigen Kinder

BGH: Filesharing-Haftung der Eltern für ihre minderjährigen Kinder

Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat heute (15.11.2012) in einem wegweisenden Urteil (sog. „Morpheus“-Entscheidung) entschieden, dass Eltern nicht für Urheberrechtsverletzungen aus illegalem Musiktausch (Up-/Download) sog. Filesharing ihrer minderjährigen Kinder haften, wenn sie ihr Kind (in casu: ein 13-Jähriger) über ein Verbot rechtsverletzender Nutzung von Filesharingplattformen (Internettauschbörsen) vorher belehrt haben. Jedoch bestehe keine grundsätzliche Pflicht der Eltern zur Überwachung und ggf. Sperrung für die Nutzung des Internets durch ihre minderjährigen Kinder. Eine solche Verpflichtung der Eltern bestehe erst, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Nutzung des Internetanschlusses hätten.

Dieses Urteil betrifft die deutsche Rechtslage zur Teilnehmer- bzw. Störer-Haftung der Eltern für Filesharing-Urheberrechtsverletzungen ihrer Kinder. M.E. kann diese Haftungskonstellation auch auf ein Arbeitsverhältnis übertragen werden, bei dem ein Arbeitnehmer über den Internetanschluss des Arbeitgebers entgegen klarer Weisung/Reglement Immaterialgüterrechtsverletzungen begeht, etwa in Form des rechtswidrigen Filesharings.

Für die Schweiz kann diese Entscheidung nicht ohne Weiteres übernommen werden. Das schriftliche Urteil des BGH wurde noch nicht publiziert.

Quelle und Vorinstanzen:
Pressemitteilung des BGH vom 15.11.2012 zum Urteil vom 15.11.2012, Az. I ZR 74/12 („Morpheus“)
Urteil des Landgerichts (LG) Köln vom 30.03.2011, Az 28 O 716/10
Urteil des Oberlandesgericht Köln (OLG) vom 23.03.2012 (Berufungsinstanz), Az. 6 U 67/11

Weitere Urteile zu dieser Thematik:

OLG Köln zur Filesharing-Haftung des W-LAN-Anschlussinhabers für Ehepartner
In diesem Zusammenhang hat bereits das Oberlandesgericht Köln mit Urteil vom 16.05.2012 (Az. 6 U 239/11) entschieden, dass ein W-LAN-Anschlussinhaber grundsätzlich nicht für durch seinen Ehepartner begangene Urheberrechtsverletzungen im Internet hafte, wenn der Anschlussinhaber keine Kenntnis über die illegalen Aktivitäten seines Ehepartners habe. Im Übrigen bestehe keine Aufsichtspflicht unter Ehepartnern. Zu diesem Urteil hat der Senat die Revision zum BGH zugelassen.

Quelle:
Pressemitteilung des OLG Köln vom 21.05.2012 zum Urteil vom 16.05.2012 (6 U 239/11)

BGH zur Haftung bei Urheberrechtsverletzungen Dritter über W-LAN-Netz
Ebenfalls in diesem Zusammenhang steht das sog. „Sommer unseres Lebens“-Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 12.05.2012 (Az. I ZR 121/08), wonach ein W-LAN-Anschlussinhaber für Urheberrechtsverletzungen Dritter, die über das W-LAN-Netz des Anschlussinhabers begangen werden, nur auf Unterlassung hafte, wenn er sein W-LAN-Netz nicht ausreichend mit einem Passwort schützt. Der Anschlussinhaber ist jedoch regelmässig nicht auf Schadensersatz haftbar. Eine diesbezügliche Haftung als Täters komme jedoch gemäss des BGH in dieser Fallkonstellation nicht in Betracht, da der Anschlussinhaber regelmässig die Urheberrechtsverletzung im Internet (in casu: Zugänglichmachen eines Musiktitels) nicht begangen hat. Eine Teilnehmerhaftung in Form des Gehilfenschaft des W-LAN-Inhabers an der rechtswidrigen Haupttat des Dritten würde Vorsatz des W-LAN-Inhabers erfordern.

Quelle:
Urteil des BGH vom 12.05.2012 (Az. I ZR 121/08)
Pressemitteilung des BGH vom 12.05.2012 zum Urteil vom 12.05.2012 (Az. I ZR 121/08)

Auch diese beiden Urteil sind nach deutschem Recht ergangen.

Button-Lösung: Pflichten für Schweizer Shopbetreiber

Seit dem 01.08.2012 gilt die so genannte ‚Button-Lösung’ in Deutschland. Diese gilt jedoch auch für den Crossborder-E-Commerce, d.h. für schweizer Shopbetreiber, Internethändler und Dienstleister, die auch an Verbraucher (Konsumenten) nach Deutschland verkaufen bzw. ihre Geschäftstätigkeit eindeutig nach Deutschland ‚ausrichten‘. Die deutsche Buttonlösung verlangt deutlich mehr, als nur den Kaufen-Button neu zu beschriften.

Was ist die ‚Button-Lösung‘?
Die sog. ‚Button-Lösung’ ist ein deutsches Gesetz zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher (Konsumenten) vor Kostenfallen im elektronischen Geschäftsverkehr und soll das Leben der Verbraucher vereinfachen und vor sog. ‚Abofallen’ im Internet schützen, bei denen auf den ersten Blick nicht erkennbar ist, dass sie kostenpflichtigen sind. Die Regelung gilt nur im Bereich Fernabsatz, also im Geschäftsverkehr mit Verbrauchern. Reine b2b-Verträge sind nicht betroffen.

Wo ist die ‚Button-Lösung‘ geregelt?
Die ‚Button-Lösung‘ ist unter dem Titel „Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehre“ in § 312g Abs. 2-4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt. Diese Bestimmung lautet wie folgt:

„(2) Bei einem Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, der eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand hat, muss der Unternehmer dem Verbraucher die Informationen gemäß Artikel 246 § 1 Absatz 1 Nummer 4 erster Halbsatz und Nummer 5, 7 und 8 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche, unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung stellen. Diese Pflicht gilt nicht für Verträge über die in § 312b Absatz 1 Satz 2 genannten Finanzdienstleistungen.

(3) Der Unternehmer hat die Bestellsituation bei einem Vertrag nach Absatz 2 Satz 1 so zu gestalten, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet. Erfolgt die Bestellung über eine Schaltfläche, ist die Pflicht des Unternehmers aus Satz 1 nur erfüllt, wenn diese Schaltfläche gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist.

(4) Ein Vertrag nach Absatz 2 Satz 1 kommt nur zustande, wenn der Unternehmer seine Pflicht aus Absatz 3 erfüllt.“

Zulässige und unzulässige Bezeichnungen bei der ‚Button-Lösung‘
Künftig muss bei kostenpflichtigen Onlineangeboten zwingend eine Schaltfläche mit der Aufschrift „zahlungspflichtig bestellen“ oder einer entsprechend eindeutigen Formulierung vorgesehen sein. Zulässige Bezeichnungen sind auch: „Kaufen“, „kostenpflichtig bestellen“. Nicht zulässig sind bisher in Onlineshops oft verwendete Formulierungen wie: „Bestellen“, „Weiter“, „Bestellung abschließen“, „Anmelden“, „Los“. Der neue Bestell-Button muss dem Verbraucher sofort und unmissverständlich klarmachen, auf was er sich einlässt.

Weitere Informationspflichten
Weiter müssen Unternehmer bei Online-Bestellungen künftig Preis, Lieferkosten, Mindestlaufzeiten sowie wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung unmittelbar vor der Bestellung klar und verständlich anzeigen. Kosten dürfen nicht mehr im Kleingedruckten versteckt werden. Die Schaltfläche für die Bestellung muss unmissverständlich und gut lesbar auf die Zahlungspflicht hinweisen. Diese Neuregelung gilt für alle Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen auf Online-Plattformen im Internet – ob per Computer, Smartphone oder Tablet.

Rechtfolgen
Die Folgen bei mangelnder oder unzureichender Umsetzung der ‚Button-Lösung’ können gravierend sein: Zum einen riskiert man wettbewerbsrechtliche Abmahnungen. Zum anderen kommt kein Vertrag zustande und der Unternehmer hat keinen Anspruch auf Bezahlung, denn das Gesetz sieht vor, dass ein Vertrag nur dann als wirksam abgeschlossen gilt, wenn der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet (vgl. § 312g Abs. 4 BGB).


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Wo klagen? Gerichtsstand bei Internet-Vertragsstreitigkeit

Welches Gericht ist zuständig, wenn ein deutscher Verbraucher eine Urlaubsreise auf einer ausländischen Website bucht und diese mangelhaft ist? Kann er dann vor einem deutschen Gericht klagen oder muss er das in dem Land, aus dem die Website stammt?

Was ist, wenn ein ausländischer Hotelgast seine Übernachtung nicht bezahlt, diese aber zuvor im Internet gebucht hatte? Muss das Hotel den Gast dann in dessen Wohnsitzstaat verklagen?

Oft handelt es ich bei den Betreibern von Websites um Unternehmen mit Sitz im Ausland. Da stellt sich die Frage, welchem Recht deren Angebote unterliegen und vor allem in welchem Land sie zu belangen und verklagen sind. Denn es ist meist mit erhöhtem Aufwand verbunden in einem anderen Land Klage zu erheben, da z.B. eine andere Amtssprache gilt und ein ausländischer Anwalt beauftragt werden muss.

Welcher Gerichtsstand gilt grundsätzlich im Internet?
Bei Internetbuchungen oder –einkäufen ist der Gerichtsstand für Klagen nicht automatisch im Land des Wohnsitzes. Es kommt auf den Willen des Unternehmers an, auch im jeweiligen Land tätig zu sein. So der Europäische Gerichtshof (EuGH).

Der EuGH präzisierte damit die unionsrechtlichen Regeln über die gerichtliche Zuständigkeit für Verbraucherverträge in Fällen, in denen Dienstleistungen im Internet angeboten werden.

Geltende Rechtslage im EU-Recht
Nach der Verordnung der Europäischen Union über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen sind Klagen gegen Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, in der Regel vor den Gerichten dieses Staates zu erheben.

Des Weiteren kann die Klage am Erfüllungsort erhoben werden, d.h. beim Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung aus dem Vertrag erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.

Liegt hingegen ein Verbrauchervertrag vor, gelten besondere Regeln, die den Verbraucher schützen sollen: Hat der Unternehmer seine Tätigkeit auf den Mitgliedstaat „ausgerichtet“, in dem der Verbraucher wohnt, kann der Verbraucher eine etwaige Klage beim Gericht des Mitgliedstaats erheben, in dem er selbst wohnt, und umgekehrt auch nur in diesem Staat verklagt werden.

«Ausrichtung» der Tätigkeit auf andere Staaten
Fraglich ist jedoch, wann ein Internetunternehmer seine Tätigkeit auf ein bestimmtes Land „ausrichtet“? Oder ob bereits darin, dass ein in einem Mitgliedstaat der EU niedergelassenes Unternehmen seine Dienstleistungen über das Internet anbietet, eine „Ausrichtung“ seiner Tätigkeit auch auf andere Mitgliedstaaten liegt? Die Beantwortung dieser Fragen ist deshalb wichtig, da im Fall eines Rechtsstreits dann die günstigeren Zuständigkeitsregeln der Verordnung Anwendung fänden, die dem Schutz der Verbraucher anderer Mitgliedstaaten dienen.

Dazu hat der Gerichtshof nun in zwei Fällen Stellung bezogen und ein Urteil gefällt. In den beiden Rechtsstreitigkeiten geht es um die Frage, ob ein Gewerbetreibender seine Tätigkeit im Sinne der Verordnung auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers „ausrichtet“, wenn er zur Kommunikation mit den Verbrauchern eine Website nutzt.

Wille des Unternehmers ist massgeblich
Der Gerichtshof stellte klar, dass durch die bloße gewerbliche Nutzung einer Website durch einen Unternehmer als solche noch nicht bedeute, dass er seine Tätigkeit auf andere Mitgliedstaaten „ausrichtet“. Vielmehr sei entscheidend, dass der Unternehmer seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern anderer Mitgliedstaaten herzustellen.

Anhaltspunkte für internationale „Ausrichtung“
Anhaltspunkte für den Willen des Unternehmers, auch im jeweiligen Land tätig zu sein, können laut EuGH folgende sein:

  • Alle offenkundigen Ausdrucksformen des Willens, Verbraucher anderer Mitgliedstaaten als Kunden zu gewinnen, beispielsweise das Anbieten von Dienstleistungen oder Güter in mehreren namentlich benannten Mitgliedstaaten.
  • Ausgaben des Unternehmers für Internetreferenzierungsdienste von Suchmaschinenbetreibern, um in anderen Mitgliedstaaten wohnenden Verbrauchern den Zugang zu seiner Website zu erleichtern.
  • Der internationale Charakter der fraglichen Tätigkeit, wie bestimmter touristischer Tätigkeiten.
  • Die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl.
  • Die Verwendung eines anderen Domänennamens oberster Stufe als dem des Mitgliedstaats, in dem der Gewerbetreibende niedergelassen ist, z. B. „.de“, oder die Verwendung neutraler Domänennamen oberster Stufe wie „.com“ oder „.eu“
  • Die Wiedergabe von Anfahrtsbeschreibungen von einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten aus zum Ort der Dienstleistung.
  • Die Erwähnung einer internationalen Kundschaft, die sich aus in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Kunden zusammensetzt, insbesondere durch die Wiedergabe von Kundenbewertungen.
  • Die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der im Mitgliedstaat des Gewerbetreibenden üblicherweise geltenden.

Keine Anhaltspunkte seien jedoch die Angabe der elektronischen oder geografischen Adresse des Gewerbetreibenden auf der Website oder die seiner Telefonnummer ohne internationale Vorwahl, denn solche Angaben liessen nicht erkennen, ob der Gewerbetreibende seine Tätigkeit auf einen oder mehrere Mitgliedstaaten orientiere.

Fazit:
Entscheidend für den Gerichtsstand im Internet ist die „Ausrichtung“ der gewerblichen Tätigkeit. Dabei kommt es auf den Willen des Unternehmers an, im jeweiligen Land tätig zu sein. Anhaltspunkt für den Willen ist, ob der Website und der gesamten Tätigkeit des Unternehmers entnommen werden kann, dass diese ihre Geschäfte auch in anderen Ländern tätigen wollten, bzw. dass sie dazu bereit waren. Der EuGH hat damit ein weitreichendes Urteil für den Online-Handel gefällt. Er präzisierte die unionsrechtlichen Regeln über die gerichtliche Zuständigkeit für Verbraucherverträge im Internet.

Quellen: Gerichtshof der Europäischen Union, Pressemitteilung Nr. 118/10 v. 7. 12. 2010; Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-585/08 und C-144/09 v. 7. 12. 2010;

Rechtsnormen: Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

Gesetzesentwurf: Leistungsschutzrecht für Presseverlage im Internet

Das deutsche Bundesministerium der Justiz legte einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) vor (Bearbeitungsstand: 13.06.2012). Damit soll ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage eingeführt werden, um deren Presseerzeugnissen im Internet besser zu schützen und um eine Gleichstellung der im Online-Bereich tätigen Presseverlage mit anderen Werkvermittlern zu gewährleisten. Ziel des Gesetzes ist es auch, den Presseverlagen den Nachweis der oftmals komplexen Urheberrechte-Kette zu ersparen und ihnen ein originäres Recht an die Hand zu geben.

Der Schutzgegenstand des Leistungsschutzrechtes nach § 87f Abs. 2 UrhG-E sollen nicht die in einem Pressezeugnis enthaltenen Schriftwerke oder anderen Werke wie Licht-, Bewegtbilder oder Grafiken sein, „[…] sondern die zur Festlegung des Presseerzeugnisses erforderliche wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung des Presseverlegers[…]“, so die Gesetzesbegründung des Justizministeriums.

Betroffen von diesem neuen Gesetz wären grundsätzlich alle Content-Provider, die über News-Dienste, Soziale Netzwerke, Blogs, Kurznachrichtendiensten oder sonstige News-Aggregatoren, sog. Text-Snippets verlinken. Diese Text-Schnipsel bestehen aus wenigen Zeilen bzw. Wörtern und beinhalten zumeist den der Inhalt des verlinkten Presseerzeugnisses für den Leser in kurzem Umriss. Der Leser kann sodann bei weitergehendem Interesse an dem entsprechenden News-Thema den Snippet-Link anklicken und den vollständigen Beitrag lesen, wobei der Nutzer bei Aktivierung des Snippet-Links regelmässig auf die dem News-Beitrag zugrundeliegende Zieladresse geleitet wird.

Das Gesetz lässt Fragen zum Schutzbereich offen:

Unklar ist z.B., ob bereits eine verlinkte Überschrift ein „öffentliches Zugänglichmachen“ im Sinne des § 87f Abs. 1 UrhG-E darstellt und damit den Schutzbereich des Leistungsschutzrechts eröffnet oder ob dies erst der Fall ist, wenn neben die Überschrift noch weitere Textauszüge hinzutreten.

Unter Verweis auf die „Paperboy“-Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofes (BGH) aus dem Jahre 2003 (Urteil vom 17.07.2003, Az. I ZR 259/00) sei – so die Gesetzesbegründung – eine blosse Verlinkung von Presseerzeugnissen nicht erfasst; diese solle vielmehr weiterhin zulässig sein. Im Paperboy-Urteil hat der BGH entschieden, dass durch das Setzen eines Hyperlinks auf urheberrechtsgeschützte Inhalte auf eine vom Berechtigten öffentlich zugänglich gemachte Website nicht in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes eingegriffen wird. Gemäss BGH ist grundsätzlich auch das Setzen eines Hyperlinks in Form des Deep-Links, d.h. auf eine tieferliegende Seite der Website, zulässig. Der BGH schränkte jedoch seine Rechtsprechung im Jahre 2010 im sog. „Session-ID“-Urteil (Urteil vom 29.04.2010, Az. I ZR 39/08) für den Fall ein, dass durch einen gesetzten Deep-Link technische Schutzmassnahmen auf der angelinkten Website umgangen werden.
Es bleibt abzuwarten, wie der Begriff des öffentlichen Zugänglichmachens im Kontext eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger auszulegen sein wird.

Offen ist auch, was unter dem Begriff des „nicht gewerblichen Zwecks“ nach § 87g Abs. 4 UrhG-E und damit als eine gesetzlich zulässige Nutzung zu verstehen ist.
Die Gesetzesbegründung führt hierzu als Beispiel das Betreiben eines Blogs an und differenziert danach, ob der Blog Bezüge zu einer „beruflichen Tätigkeit“ aufweise bzw. der Blogbetreiber mittels Werbeeinblendungen oder der Einblendung eines Bezahl-Buttons eines Micropaymentdienstes seine Unkosten refinanzieren wolle. Diesfalls handele er zu gewerblichen Zwecken. Hingegen solle eine Gewerblichkeit bei jenen nicht gegeben sein, die einen Blog nur als Hobby unentgeltlich und ohne Bezug zur beruflichen Tätigkeit betreiben. Fraglich ist in diesem Zusammenhang beispielsweise, wie private Blogs oder Facebook-Accounts zu werten sind, auf denen Presseerzeugnisses verwendet werden, jedoch die Bezugnahme zur beruflichen Tätigkeit lediglich über einen weiterführenden Link gegeben ist.
Letztlich werden sich hierbei m.E. schwierige Abgrenzungsprobleme ergeben.

Klar ist zumindest, dass das Leistungsschutzrecht für Presseverleger – sofern das Gesetz in Kraft treten sollte – nicht uneingeschränkt gelten wird: So finden die im deutschen Urheberrechtsgesetz verankerten Schrankenbestimmungen, namentlich das sog. Zitatrecht gemäss § 51 UrhG, Anwendung, so der Verweis in § 87g Abs. 4 UrhG-E auf Teil 1 Abschnitt 6 (Schranken des Urheberrechts) des Urheberrechtsgesetzes.

Es bleibt abzuwarten, ob dieser Gesetzesentwurf die parlamentarischen Hürden nehmen wird.

Quellen und weiterführende Informationen:

  • Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 13.06.2012 (Bearbeitungsstand)
  • Deutsches Urheberrechtsgesetz, UrhG, (in der geltenden Fassung)
  • „Paperboy“-Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofes vom 17.07.2003
  • „Session-ID“-Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofes vom 29.04.2010

Generalanwalt EuGH: Haftung von eBay bei Markenrechtsverstössen

eBay hafte im Allgemeinen nicht für Verstöße gegen das Markenrecht, die von den Nutzern ihres elektronischen Marktplatzes begangen worden sind. So die Ansicht des Generalanwalts des Gerichtshofes der Europäischen Union Jääskinen.

Wenn eBay jedoch die verletzende Benutzung einer Marke gemeldet worden sei und derselbe Nutzer diese Verletzung fortführe oder wiederhole, könne das den Online-Marktplatz betreibende Unternehmen für haftbar erklärt werden.

L’Oréal, Inhaberin eines breiten Spektrum bekannter Marken, hatte eBay vorgeworfen, an den Markenrechtsverstößen, die von Verkäufern auf dem Online-Marktplatz begangen worden seien, beteiligt zu sein. Durch den Kauf von Schlüsselwörtern in Suchmaschinen, leite eBay ihre Nutzer zu rechtsverletzenden Waren, die auf ihrer Website zum Verkauf angeboten würden.

Der Generalanwalt betont, dass eBay zwar im Allgemeinen von der Haftung für die von ihren Kunden auf ihrer Internetseite gespeicherten Informationen freigestellt sei, gleichwohl aber für den Inhalt der Daten, die sie als Werbende dem Suchmaschinenbetreiber mitteile, hafte.

Indem eBay die Marken von L’Oréal als Schlüsselwörter buche, die die Verbraucher auf den Online-Marktplatz führten, benutze sie demzufolge diese Marken für Waren, die von L’Oréal unter diesen Zeichen vertrieben würden.

Nach Ansicht des Generalanwalts führe die Benutzung der streitigen Marken durch eBay als Schlüsselwörter jedenfalls nicht notwendigerweise zu einem Irrtum des Verbrauchers über die Herkunft der angebotenen Waren. In den Fällen, in denen die Anzeige selbst nicht über die Natur des werbenden Online-Marktplatzbetreibers täusche, sei eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Marke in Bezug auf die Produkte unwahrscheinlich.

Quelle:

Gerichtshof der Europäischen Union, Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-324/09 „L’Oréal / eBay“; Pressemitteilung Nr. 119/10, Luxemburg, den 9. 12. 2010

Abmahnungen an schweizer Internethändler aus Deutschland

In letzter Zeit werden vermehrt Abmahnungen aus Deutschland an Schweizer Internethändler verschickt, wegen angeblicher oder tatsächlicher Wettbewerbsverstöße. Darin werden hohe Schadensersatzsummen und strafbewerte Unterlassungserklärungen gefordert.

Was können Sie bei Erhalt einer Abmahnung tun? Wie können Sie Abmahnungen künftig vermeiden? Die folgende Checkliste gibt schnelle Antworten.

Inhaltsübersicht:
I. Was ist eine Abmahnung?
II. Abmahnung erhalten – Was tun?
III. Wann ist die Abmahnung berechtigt?
IV. Sind sog. Massenabmahnungen zulässig?
V. Sind bei einer anwaltlichen Abmahnung die Kosten angemessen?
VI. Wie kann man sich gegen eine Abmahnung wehren?
VII. Was wird bei Online-Shops häufig abgemahnt?
VIII. Wie kann ich Abmahnungen künftig vermeiden?

I. Was ist eine Abmahnung?

Eine Abmahnung ist die formale Aufforderung, eine bestimmte Rechtsverletzung künftig zu unterlassen oder eine bestimmte Handlung vorzunehmen. Die Abmahnung ist grundsätzlich ein legitimes Mittel um Unterlassungsansprüche außergerichtlich durchzusetzen.

Die Abmahnung enthält:

  • Den Vorwurf einer Rechtsverletzung.
  • Eine Aufforderung, die Handlung künftig zu unterlassen sowie eine strafbewerte Unterlassungserklärung zu unterschrieben.
  • Eine angemessene Fristsetzung unter Androhung rechtlicher Schritte bzw. der gerichtlichen Durchsetzung.

In Deutschland wird sehr viel abgemahnt. Dort hat sich in jüngerer Vergangenheit eine regelrechte Abmahnwelle entwickelt. Teilweise werden Massenabmahnungen verschickt. Manche sog. „Abmahnanwälte“ sind ausschließlich auf Abmahnungen spezialisiert und machen einen großen Teil ihres Umsatzes damit. Wie in jeder Branche gibt es auch hier schwarze Schafe, die missbräuchlich und unberechtigt abmahnen.

Neben zivilrechtlichen Unterlassungsansprüchen hat die Abmahnung besondere Bedeutung im gewerblichen Rechtsschutz, insbesondere im Wettbewerbsrecht und Urheberrecht sowie im Arbeitsrecht, Markenrecht und Internetrecht.

II. Abmahnung erhalten – Was tun?

Wenn Sie eine Abmahnung erhalten haben, sollten Sie folgende Chekliste beachten:

  • Protokollieren Sie das Eingangsdatum, d.h. der Tag an dem die Abmahnung bei Ihnen zugestellt wurde.
  • Reagieren Sie rasch und ziehen Sie unverzüglich einen Anwalt zu Rate, der die Abmahnung genau überprüft.
  • Unterschreiben Sie die Unterlassungserklärung bis dahin zunächst nicht.
  • Zahlen Sie die Schadensersatzsumme bis dahin zunächst nicht.

Wenn sie diese Ratschläge beachten, können Sie gegebenenfalls sogar die gesamte Abmahnung abwehren.

III. Wann ist eine Abmahnung berechtigt?

Die Frage, ob die Abmahnung berechtigt ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Das hängt von vielen Faktoren ab und ist in jedem Einzelfall neu zu beurteilen. Daher sollte die Abmahnung im Zweifel unbedingt durch einen Rechtsanwalt geprüft werden.

Es lassen sich jedoch einzelne Fallgruppen darstellen, in denen die Abmahnung stets unberechtigt ist.

Eine Abmahnung ist immer unberechtigt, wenn..

  • eindeutig keine Rechtsverletzung vorliegt.
  • der Abmahnende nicht zur Abmahnung befugt ist.
  • die Abmahnung missbräuchlich erfolgt.
  • es sich bei der Rechtsverletzung um eine Bagatelle handelt, d.h. keine spürbare Beeinträchtigung vorliegt.

IV. Sind sog. Massenabmahnungen zulässig?

Von sog. Massenabmahnungen (auch Serienabmahnung genannt) spricht man bei einer Vielzahl gleich lautender Abmahnschreiben. Diese können missbräuchlich sein, sind jedoch nicht zwangsläufig unzulässig. Zunehmend jedoch kritisieren deutsche Gerichte die Tätigkeit von sog. „Massenabmahnern“. Bereits eine ganze Reihe von Gerichten hat sich inzwischen mit Massenabmahnungen befasst und teilweise divergierende Entscheidungen gefällt.

V. Sind bei einer anwaltlichen Abmahnung die Kosten angemessen?

Die Anwaltskosten in Deutschland bemessen sich nach dem jeweiligen Streitwert (sog. Gebührenstreitwert). Abmahnende Rechtsanwälte versuchen teilweise diesen Streitwert besonders hoch anzusetzen. Dies ist nicht zulässig und muss dann korrigiert werden. Auch deutsche Gerichte werden hinsichtlich der Höhe der Kosten zunehmend sensibler und weisen zu hoch angesetzte Forderungen ab.

VI. Schutz vor Abmahnungen: Wie kann man sich gegen eine Abmahnung wehren?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten eine Abmahnung abzuwehren. Da dies unter Umständen mit erheblichen Risiken verbunden ist, ist es stets ratsam, einen Rechtsanwalt mit der Prüfung des Falles zu beauftragen.

Es kommen folgende Reaktionsmöglichkeiten in Betracht:

  • Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung.
  • Zurückweisung der Abmahnung, wenn keine Rechtsverletzung vorliegt und selbst aktiv zum „Gegenangriff“ übergehen.
  • Vergleichsverhandlungen führen. Diese können im Einzelfall erfolgsversprechend sein.

VII. Was wird bei Online-Shops häufig abgemahnt?

Besonders häufig werden bei Online-Shops folgende Bereiche abgemahnt:

  • Widerrufsrecht im Fernabsatz
  • Markenrechtsverletzungen
  • Urheberrechtsverletzungen
  • Impressum: Insbesondere Verstoß gegen Impressumspflicht und fehlerhafte Angaben
  • Jugendschutz
  • Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)
  • Preisangaben: Insbesondere Verstöße gegen die deutsche Preisangabenverordnung (z.B. fehlende Angaben zur Mehrwertsteuer und Versandkosten)
  • Gewährleistungsrecht im Fernabsatz

Die Checkliste ist nicht abschließend. Weitere Abmahngründe müssen in Betracht gezogen werden.

VIII. Wie kann ich Abmahnungen künftig vermeiden?

Bitte warten Sie nicht, bis „das Kind in den  Brunnen gefallen ist“, denn Abmahnungen können Sie teuer zu stehen kommen. Die Chancen zur Vermeidung von Abmahnungen sind gerade bei Online-Shops gut, wenn die Rechtsverstösse früh und richtig erkannt werden.

Als Internethändler sollten Sie sich bereits frühzeitig mit den rechtlichen Themen befassen und Ihren Online-Shop (Webshop, Ebay-Account o.ä.) entsprechend ausgestalten.

Der beste Schutz ist die Prävention: „Man soll den  Brunnen nicht erst zudecken, wenn das Kind  hineingefallen ist“

Abmahnung wegen Facebook-Plug-In

Medienberichten zufolge werden derzeit Online-Händler abgemahnt, weil sie die Social-Plugins („Gefällt mir/ Like-Button“) von Facebook auf ihrer Website verwendet haben, ohne darauf in ihrer Datenschutzerklärung hinzuweisen.

Die Social-Media-Buttons sind in Deutschland datenschutzrechtlich problematisch. Durch deren Einbindung in eine Website wird Facebook erlaubt, personenbezogene Daten der Besucher zu erheben. Jedoch ist die Rechtslage bezüglich der Social-Media-Buttons höchst umstritten.

Es erscheint daher fragwürdig, ob die Abmahnungen überhaupt rechtlich zulässig sind und vor Gericht Bestand haben.


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BVerfG: Verletzung der Rundfunkfreiheit durch Hausdurchsuchung

Durch die Durchsuchung von Geschäftsräumen eines Rundfunksenders wird die Rundfunkfreiheit verletzt. So entschied das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Die Verfassungsbeschwerden gegen die Anordnung der Durchsuchung von Geschäftsräumen eines Rundfunksenders und die Sicherstellung seiner Redaktionsunterlagen waren erfolgreich.

Im Rahmen einer Sendung des Rundfunksenders wurde ein Beitrag gesendet, der sich mit angeblichen Übergriffen von Polizeibeamten bei einer Demonstration beschäftigte. Ein unbekannt gebliebener Moderator spielte die Mitschnitte von zwei Telefongesprächen ein, die zwischen einem Pressesprecher der Polizei und einer Person geführt worden waren, die sich in den Telefongesprächen als ein Mitarbeiter des Senders mit Namen vorgestellt hatte. Auf die Strafanzeige des Landeskriminalamtes leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 Abs. 1 deutsches StGB) ein; nach dem Bekunden des Pressesprechers sei eine Aufzeichnung der Telefongespräche nicht vereinbart worden.

Durchsuchung der Geschäftsräume angeordnet
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete daraufhin das Amtsgericht die Durchsuchung der Geschäftsräume des Rundfunksenders an. Es lägen begründete Tatsachen für die Annahme vor, dass die Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln führen werde, insbesondere des die Gespräche wiedergebenden Tonträgers, sowie von Unterlagen, die Aufschluss über die Identität des Anrufers und der weiteren Verantwortlichen gäben.

Im Zuge der Durchsuchung wurden Grundflächenskizzen und Lichtbilder von allen Räumlichkeiten der Rundfunkanstalt angefertigt sowie ein Notizbuch und diverse Aktenordner mit Redaktionsunterlagen sichergestellt, von denen die Staatsanwaltschaft vor ihrer Rückgabe teilweise Kopien fertigte.

Verfassungsbeschwerde eingereicht
Darauf wendete sich der Rundfunksender mit einer Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnung der Durchsuchung seiner Redaktionsräume. Eine zweite Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen die Entscheidungen, mit denen die Art und Weise der Durchführung der Durchsuchung sowie die Sicherstellung bzw. Beschlagnahme seiner Redaktionsunterlagen bestätigt wurden. Er rügt unter anderem eine Verletzung seines Grundrechts auf Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG).

BVerfG bejaht Verletzung des Grundrechts
Das BVerfG hat in beiden Verfahren nun dem Rundfunksender Recht gegeben und die angegriffenen Entscheidungen aufgehoben, weil sie den Rundfunksender in seiner Rundfunkfreiheit verletzen würden. Die Sache ist damit jeweils zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen worden.

Urteilsbegründung
Das BVerG begründete seine Entscheidung damit, dass das Grundrecht der Rundfunkfreiheit in seiner objektiven Bedeutung die institutionelle Eigenständigkeit des Rundfunks von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachrichten und Meinungen schütze. Von diesem Schutz sei auch die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit umfasst, die es staatlichen Stellen grundsätzlich verwehre, sich einen Einblick in die Vorgänge zu verschaffen, die zur Entstehung von Nachrichten oder Beiträgen führen, die in der Presse
gedruckt oder im Rundfunk gesendet werden. Unter das Redaktionsgeheimnis fallen auch organisationsbezogene Unterlagen, aus denen sich Arbeitsabläufe, Projekte oder die Identität der Mitarbeiter einer Redaktion ergeben.

Sowohl die Anordnung der Durchsuchung der Räume des Beschwerdeführers als auch die fachgerichtlichen Entscheidungen, die die bild- und skizzenhafte Dokumentation der Redaktionsräume und die Mitnahme redaktioneller Unterlagen sowie die Anfertigung von Ablichtungen hiervon als rechtmäßig erachten, greife daher in die Rundfunkfreiheit ein.

Die im Verfahren 1 BvR 1739/04 angegriffenen Entscheidungen zur Anordnung der Durchsuchung liessen eine tragfähige Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der angeordneten Durchsuchung vermissen. Außerdem seien die Ermittlungsbehörden gehalten, eine übermäßige Beeinträchtigung der Rundfunkfreiheit durch den Vollzug der Durchsuchung eines Rundfunksenders zu vermeiden.

Weiter sei zum einen die Erforderlichkeit einer ausführlichen Dokumentation, die Fotografien und Skizzen von allen Räumen des Senders umfasste, nicht ersichtlich. Selbst die Relevanz einer Dokumentation des
Fundortes der sichergestellten Aktenordner sei den angegriffenen Entscheidungen nicht zu entnehmen; dieser sei vielmehr in den gefertigten Skizzen gar nicht vermerkt worden. Zum anderen hätten die Fachgerichte auch hier bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Ermittlungsmaßnahmen die mit ihr verbundenen Beeinträchtigungen der grundrechtlich geschützten Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit nicht in
ihre Abwägung eingestellt.


Quellen:

Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung Nr. 2/2011 vom 5. Januar 2011; Beschlüsse vom 10. Dezember 2010 1 BvR 1739/04, 1 BvR 2020/04.

AG München: Negative Bewertungen auf Ebay

Auf der Auktionsplattform eBay müssen auch negative Bewertungen hingenommen werden, so lange sie keine unwahren Tatsachen, bloße Schmähkritik oder Beleidigungen enthalten. So entschied das Amtsgericht München.

Anspruch auf Löschung?
Das Gericht hatte darüber zu urteilen, ob negative Bewertungen auf Internetauktionsplattformen gelöscht werden können, bzw. ob ein Anspruch auf Löschung besteht.

Im vorliegenden Fall ging es um den Kauf eines gebrauchtes Notebooks auf eBay. Der Verkäufer nutzte hierzu sein eBay-Konto, das ihn als gewerblichen Verkäufer auswies. In der Artikelbeschreibung gab er an, dass das Gerät aus seinem Privatbesitz als Privatkunde stamme.

Etwas später sandte der Käufer ein Email an den Verkäufer und bat darum das Notebook selbst abholen zu können. Anstelle der vom Verkäufer geforderten Bezahlungsarten „Überweisung“ oder „Paypal“ schlug er daher die Abwicklung des Vertrages über einen Treuhandservice vor.

Am selben Tag noch wies der Verkäufer den Käufer darauf hin, dass eine Abholung des Notebooks nicht möglich sei und bestand auf den angegebenen Bezahlungsarten. Gleichzeitig schrieb er in seiner Email, dass er bei Abgabe einer negativen Bewertung durch den Käufer einen Anwalt beauftragen werde.
Darauf hin gab der Käufer eine negative Bewertung dahingehend ab, dass der Verkäufer gleich mit Anwalt drohe und trotz gewerblicher Seite nur privat verkaufen wolle.
Der Verkäufer erhob deshalb Klage vor dem Amtsgericht München. Er wollte die Löschung dieser Bewertung.

Das Amtsgericht München wies die Klage ab:

Der Inhalt der Bewertung entspräche den Tatsachen und sei daher zulässig. Die Ankündigung einen Anwalt einzuschalten, müsse aus Sicht des Käufers als Drohung gewirkt haben.
Dem verständigen Nutzer dränge sich darüber hinaus auf, dass der Kläger – trotz gewerblich genutzten Accounts – in diesem Fall als Privatmann verkaufen wolle, mit der Folge, dass die Vorschriften des Verbrauchsgüterkaufs mit seinen Schutzrechten für die Verbraucher nicht einschlägig wären. Auch diese Bewertung sei daher wahr.

Ein Anspruch auf Löschung der Bewertung würde nur bestehen, wenn die negative Bewertung einen unzulässigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstelle, betonte das Gericht. Dabei sei eine umfassende Güterabwägung zwischen dem Interesse des Klägers an der ungestörten Ausübung seines Gewerbes einerseits und dem Interesse des Beklagten an freier Meinungsäußerung andererseits vorzunehmen. Danach müsse jemand grundsätzlich Äußerungen, die unwahre Behauptungen beinhalten, bloße Schmähkritik oder gar Beleidigungen nicht hinnehmen. Bloße Werturteile und wahre Tatsachenbehauptungen hingegen seien grundsätzlich zulässig.

Quelle: Urteil des AG München vom 16.12.2009, AZ 142 C 18225/09; Pressemitteilung 53/10, 13. Dezember 2010.

BGH: Preisvergleich von Zahnärzten im Internet

Auf einer Internetplattform konnten Patienten einen Preisvergleich zwischen verschiedenen Zahnärzten vornehmen und dadurch die kostengünstigste Behandlung auswählen. Ein Preisvergleich für zahnärztliche Leistungen im Internet sei nicht „berufsunwürdig“ und daher zulässig, entschied der deutsche Bundesgerichtshof. Doch wird damit auch die Qualität der ärztlichen Behandlung gefördert?

Um verschiedene Angebote zu vergleichen können Patienten den Heil- und Kostenplan ihres Zahnarztes auf der Plattform einstellen. Alsdann können andere Zahnärzte innerhalb einer bestimmten Zeit eine alternative eigene Kostenschätzung abgeben. Dem Patienten werden sodann die preisgünstigsten Kostenschätzungen ohne Angabe der Namen und Adressen der Zahnärzte mitgeteilt. Sofern der Patient sich für einen der Ärzte entscheidet, übermittelt die Plattform die Kontaktdaten und kassiert 20% vom Zahnarzt, wenn die Behandlung auch tatsächlich zustande kommt. Zuletzt können die Patienten den Zahnarzt auf der Plattform bewerten, in der sie insbesondere angeben können, ob sich der Arzt an seine Kostenschätzung gehalten hatte.

Gegen dieses Geschäftsmodell hatten mehrere Zahnärzte geklagt und vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht München zunächst Recht bekommen.

Anders entschied jetzt der deutsche Bundesgerichtshof. Danach verstosse die Preisvergleichsplattform nicht gegen ärztliches Berufsrecht und sei daher auch nicht wettbewerbswidrig. Vielmehr diene der Preisvergleich den Patienteninteressen und sei schon deshalb kein „berufsunwürdiges“ Verhalten.

Den Richtern in Karlsruhe zufolge, sei es nicht zu beanstanden, wenn ein zweiter Zahnarzt eine alternative Kostenberechnung vornehme und, sofern sich der Patient daraufhin zu einem Zahnarztwechsel entschließe, auch dessen Behandlung übernehme. Den Richtern in Karlsruhe zufolge, erleichtere das beanstandete Geschäftsmodell ein solches Vorgehen und ermögliche es dem Patienten gerade, weitergehende Informationen zu den Behandlungskosten zu erhalten. Dieses Verhalten verstosse auch nicht gegen den Grundsatz der Kollegialität unter Ärzten und würde deshalb andere Zahnärzte auch nicht auf eine berufsunwürdige Art aus ihrer Behandlungstätigkeit verdrängen.

Fazit:
Das Urteil verschafft mehr Transparenz für die Patienten. Diese können über solche Plattformen ihren Arzt nun auch nach Kostengründen auswählen und mit anderen Angeboten vergleichen. Jedoch muss sich zeigen, ob dadurch auch die Qualität der ärztlichen Behandlung gefördert wird oder ob nur ein Preisdumping zwischen den Ärzten entsteht. Denn der Arzt soll sich auch in Zukunft an dem orientieren was medizinisch notwendig ist und nicht nach merkantilen Gesichtspunkten behandeln. Auf der Plattform wird in einer Art „Internet-Auktion“ die zahnärztliche Leistung im Internet „versteigert“. Der maßgebende Faktor dabei ist der Preis. Die Ärzte geben die Kostenvoranschläge ohne Voruntersuchung des Patienten.

Damit werde das Arzt-Patienten-Verhältnis diskreditiert: „Der BGH gestattet damit, medizinische Behandlungen wie Konsumprodukte versteigern zu lassen“ so der Präsident der Bundeszahnärztekammer in einer aktuellen Stellungnahme.

Quellen: Bundesgerichtshof, Urteil vom 1.12.2010, Az. I ZR 55/08; Pressemitteilung Nr. 230/2010 v. 1.12.2010; Bundeszahnärztekammer, Pressemitteilung v. 02.12.2010

BGH: Privatpersonen haften für ihr eigenes WLAN

Privatpersonen könnten auf Unterlassung, nicht dagegen auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, wenn ihr nicht ausreichend gesicherter WLAN-Anschluss von unberechtigten Dritten für Urheberrechtsverletzungen im Internet genutzt werde. So hat der Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden. Der u. a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat führte dazu aus, dass auch privaten Anschlussinhabern eine Pflicht obliege, zu prüfen, ob ihr WLAN-Anschluss durch angemessene Sicherungsmassnahmen vor der Gefahr geschützt sei, von unberechtigten Dritten zur Begehung von Urheberrechtsverletzungen missbraucht zu werden. Dem privaten Betreiber eines WLAN-Netzes könne jedoch nicht zugemutet werden, ihre Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anzupassen und dafür entsprechende finanzielle Mittel aufzuwenden. Ihre Prüfpflicht beziehe sich daher auf die Einhaltung der im Zeitpunkt der Installation des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen.

Im zugrunde liegenden Fall ist die Klägerin die Inhaberin der Rechte an dem Musiktitel „Sommer unseres Lebens“. Dieser Titel wurde vom Internetanschluss des Beklagten aus auf einer Tauschbörse zum Herunterladen im Internet angeboten. Der Beklagte hatte dies jedoch nicht selbst verursacht, denn er war in der fraglichen Zeit in Urlaub. Die Klägerin begehrte nun vom Beklagten Unterlassung, Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten. Laut BGH hafte der Beklagte hier nach den Rechtsgründen der sog. Störerhaftung auf Unterlassung und auf Erstattung der Abmahnkosten. Diese Haftung bestünde schon nach der ersten über seinen WLAN-Anschluss begangenen Urheberrechtsverletzung. Hingegen sei der Beklagte nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Eine Haftung als Täter einer Urheberrechtsverletzung hatte der Bundesgerichtshof verneint, weil nicht der Beklagte den fraglichen Musiktitel im Internet zugänglich gemacht habe. Eine Haftung als Gehilfe bei der fremden Urheberrechtsverletzung hätte Vorsatz vorausgesetzt, an dem es im Streitfall fehle.

Quelle: BGH, Urteil des I. Zivilsenats vom 12.5.2010 – I ZR 121/08 -Pressemitteilung des Nr. 101/2010.