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Urheberrecht

BGH: keine Urheberrechtsverletzung bei der Bildersuche durch Suchmaschinen

BGH: keine Urheberrechtsverletzung bei der Bildersuche durch Suchmaschinen

Pressemitteilung Nr. 146/2017 des Bundesgerichtsofes vom 21.09.2017

Keine Urheberrechtsverletzung bei der Bildersuche durch Suchmaschinen

Urteil vom 21. September 2017 – I ZR 11/16 – Vorschaubilder III

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass eine Anzeige von urheberrechtlich geschützten Bildern, die von Suchmaschinen im Internet aufgefunden worden sind, grundsätzlich keine Urheberrechte verletzt.

Die Klägerin betreibt eine Internetseite, auf der sie Fotografien anbietet. Bestimmte Inhalte ihres Internetauftritts können nur von registrierten Kunden gegen Zahlung eines Entgelts und nach Eingabe eines Passworts genutzt werden. Die Kunden dürfen die im passwortgeschützten Bereich eingestellten Fotografien auf ihre Rechner herunterladen.

Die Beklagte bietet auf ihrer Internetseite die kostenfreie Durchführung einer Bilderrecherche anhand von Suchbegriffen an, die Nutzer in eine Suchmaske eingeben können. Für die Durchführung der Bilderrecherche greift die Beklagte auf die Suchmaschine von Google zurück, zu der sie auf ihrer Webseite einen Link gesetzt hat. Die Suchmaschine ermittelt die im Internet vorhandenen Bilddateien, indem sie die frei zugänglichen Webseiten in regelmäßigen Abständen nach dort eingestellten Bildern durchsucht. Die aufgefundenen Bilder werden in einem automatisierten Verfahren nach Suchbegriffen indexiert und als verkleinerte Vorschaubilder auf den Servern von Google gespeichert. Geben die Internetnutzer in die Suchmaske der Beklagten einen Suchbegriff ein, werden die von Google dazu vorgehaltenen Vorschaubilder abgerufen und auf der Internetseite der Beklagten in Ergebnislisten angezeigt.

Bei Eingabe bestimmter Namen in die Suchmaske der Beklagten wurden im Juni 2009 verkleinerte Fotografien von unter diesen Namen auftretenden Models als Vorschaubilder angezeigt. Die Bildersuchmaschine von Google hatte die Fotografien auf frei zugänglichen Internetseiten aufgefunden.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe die ausschließlichen Nutzungsrechte an den Fotografien erworben und diese in den passwortgeschützten Bereich ihrer Internetseite eingestellt. Von dort hätten Kunden die Bilder heruntergeladen und unerlaubt auf den von der Suchmaschine erfassten Internetseiten veröffentlicht. Sie sieht in der Anzeige der Vorschaubilder auf der Internetseite der Beklagten eine Verletzung ihrer urheberrechtlichen Nutzungsrechte und hat diese auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dadurch, dass sie die von der Suchmaschine aufgefundenen und als Vorschaubilder gespeicherten Fotografien auf ihrer Internetseite angezeigt hat, nicht das ausschließliche Recht der Klägerin aus § 15 Abs. 2 UrhG* zur öffentlichen Wiedergabe der Lichtbilder verletzt. Das gilt auch für den Fall, dass die Fotografien ohne Zustimmung der Klägerin ins frei zugängliche Internet gelangt sind.

§ 15 Abs. 2 UrhG setzt Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG um und ist daher richtlinienkonform auszulegen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (GRUR 2016, 1152 – GS Media/Sanoma u.a.) stellt das Setzen eines Links auf eine frei zugängliche Internetseite, auf der urheberrechtlich geschützte Werke ohne Erlaubnis des Rechtsinhabers eingestellt sind, nur dann eine öffentliche Wiedergabe dar, wenn der Verlinkende die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung der Werke auf der anderen Internetseite kannte oder vernünftigerweise kennen konnte. Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass das Internet für die Meinungs- und Informationsfreiheit von besonderer Bedeutung ist und Links zum guten Funktionieren des Internets und zum Meinungs- und Informationsaustausch in diesem Netz beitragen. Diese Erwägung gilt auch für Suchmaschinen und für Links, die – wie im Streitfall – den Internetnutzern den Zugang zu Suchmaschinen verschaffen.

Im Streitfall musste die Beklagte nicht damit rechnen, dass die Fotografien unerlaubt in die von der Suchmaschine aufgefundenen Internetseiten eingestellt worden waren. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union besteht zwar bei Links, die mit Gewinnerzielungsabsicht auf Internetseiten mit rechtswidrig eingestellten Werken gesetzt worden sind, eine widerlegliche Vermutung, dass sie in Kenntnis der fehlenden Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers zur Veröffentlichung der Werke im Internet gesetzt worden sind. Diese Bewertung beruht auf der Annahme, dass von demjenigen, der Links mit Gewinnerzielungsabsicht setzt, erwartet werden kann, dass er sich vor der öffentlichen Wiedergabe vergewissert, dass die Werke auf der verlinkten Internetseite nicht unbefugt veröffentlicht worden sind. Diese Vermutung gilt wegen der besonderen Bedeutung von Internetsuchdiensten für die Funktionsfähigkeit des Internets jedoch nicht für Suchmaschinen und für Links, die zu einer Suchmaschine gesetzt werden. Von dem Anbieter einer Suchfunktion kann nicht erwartet werden, dass er überprüft, ob die von der Suchmaschine in einem automatisierten Verfahren aufgefundenen Bilder rechtmäßig ins Internet eingestellt worden sind, bevor er sie auf seiner Internetseite als Vorschaubilder wiedergibt.

Für die Annahme einer öffentlichen Wiedergabe muss deshalb feststehen, dass der Anbieter der Suchfunktion von der fehlenden Erlaubnis des Rechtsinhabers zur Veröffentlichung der Werke im Internet wusste oder hätte wissen müssen. Im Streitfall hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, es könne nicht festgestellt werden, dass die Beklagte bei der Wiedergabe der Fotografien als Vorschaubilder auf ihrer Internetseite damit rechnen musste, dass die Bilder unerlaubt ins frei zugängliche Internet eingestellt worden waren.

Vorinstanzen:

LG Hamburg – Urteil vom 3. Dezember 2010 – 310 O 331/09

OLG Hamburg – Urteil vom 10. Dezember 2015 – 5 U 6/11

*§ 15 Abs. 2 Satz 1 UrhG:

Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe).

Weitere Informationen:

Auskunftspflicht von YouTube & Google über E-Mail-Adressen bei Urheberrechtsverstoss Dritter

Auskunftspflicht von YouTube & Google über E-Mail-Adressen bei Urheberrechtsverstoss Dritter

Presseinformation des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. September 2017

Oberlandesgericht Frankfurt am Main: YouTube und Google müssen E-Mail-Adresse ihrer Nutzer bei Urheberrechtsverstoß mitteilen

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichtem Urteil YouTube und Google verpflichtet, die E-Mail-Adresse ihrer Nutzer im Fall einer Urheberrechtsverletzung bekanntzugeben. Zugleich hat es festgestellt, dass über die Telefonnummer und die zugewiesene IP-Adresse keine Auskunft zu erteilen ist.


Die Klägerin ist eine deutsche Filmverwerterin. Sie besitzt die ausschließlichen Nutzungsrechte an zwei Filmen, die von drei verschiedenen Nutzern der Plattform YouTube öffentlich angeboten und jeweils mehrere tausendmal abgerufen wurden. Die Nutzer handelten unter einem Pseudonym.

 

Die Klägerin möchte diese Nutzer wegen der Verletzung ihrer Urheberrechte in Anspruch nehmen. Sie hatte deshalb zunächst von den beklagten Unternehmen YouTube und Google die Angabe der Klarnamen und der Postanschrift der Nutzer begehrt. Nachdem die Beklagten erklärt hatten, dass diese Angaben ihnen nicht vorlägen, verfolgt sie diesen Anspruch nicht weiter.

 

Sie begehrt nunmehr noch Auskunft über die E-Mail Adressen, Telefonnummern und die IP-Adressen.

 

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass kein Anspruch auf Bekanntgabe dieser Daten bestünde. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

 

Das OLG hat die Beklagten unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils verpflichtet, die E-Mail-Adressen bekanntzugeben. Die Telefonnummern und maßgeblichen IP-Adressen müssen dagegen auch nach Ansicht des OLG nicht mitgeteilt werden.

 

Zur Begründung führt das OLG aus, die Beklagten hätten für die von den Nutzern begangenen Rechtsver-letzungen gewerbsmäßig Dienstleistungen (§ 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG) zur Verfügung gestellt. Sie seien damit gemäß § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG verpflichtet, Auskunft über „Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Vervielfältigungsstücke (…)“ zu erteilen. Unter den Begriff der „Anschrift“ falle auch die E-Mail-Adresse. Den Begriffen „Anschrift“ und “Adresse“ komme keine un-terschiedliche Bedeutung zu. „Dass mit der Bezeichnung „Anschrift“ im Deutschen ursprünglich ledig-lich die Postanschrift gemeint war, ist historisch begründet“, so das OLG. Es gehe allein um die Angabe des Ortes, an dem man jemanden „anschreiben“ könnte. Die gewählte Formulierung der „Anschrift“ gehe zudem auf das Jahr 1990 zurück. Zu diesem Zeitpunkt habe der E-Mail-Verkehr „kaum eine praktische Bedeutung“ gehabt. Setze man demnach „Anschrift“ mit „Adresse“ gleich, erfasse dies eindeutig auch die E-Mail-Adresse. Auch hier handele es sich um eine Angabe, „wohin man schreiben muss, damit das Ge-schriebene den Empfänger erreicht“. Nur dieses Begriffsverständnis trage den geänderten Kommunikati-onsgewohnheiten und dem Siegeszug des elektronischen Geschäftsverkehrs hinreichend Rechnung.

 

Telefonnummer und IP-Adresse seien dagegen nicht vom Auskunftsanspruch umfasst. Nach dem allge-meinen Sprachgebrauch verkörperten „Anschrift“ einerseits und „Telefonnummer“ andererseits unter-schiedliche Kontaktdaten. Der von der Klägerin eingeführte Begriff der „Telefonanschrift“ sei auch nicht gebräuchlich.

 

Bei IP-Adressen handele es sich – trotz des Wortbestandteils „Adresse“ – bereits deshalb nicht um eine „Anschrift“, da der IP-Adresse keinerlei Kommunikationsfunktion zukomme. Sie diene allein der Identifizierung des Endgerätes, von dem aus eine bestimmte Webseite aufgerufen werde.

 

Das Urteil ist nicht rechtskräftig; das OLG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Es kann in Kürze im Volltext unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de abgerufen werden.

 

Oberlandesgericht von Frankfurt am Main, Urteil vom 22.8.2017, AZ 11 U 71/16 (vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 3.5.2016, AZ 2/3 O 476/13)

Erläuterung:
Aus dem in Bezug genommenen Tatbestand des landgerichtlichen Urteils ergibt sich u.a. Folgendes: Auf der Internetplattform von YouTube können audiovisuelle Beiträge von Dritten eingestellt und anderen unentgeltlich zugänglich gemacht werden. Die Nutzer müssen sich vor einem Upload anmelden. Anzuge-ben ist zwingend ein Name, eine E-Mail-Adresse sowie das Geburtsdatum. Für die Anmeldung benötigt man ein Nutzerkonto bei Google, dem Mutterkonzern von YouTube.

 

§ 101 [1] Anspruch auf Auskunft
(1) 1Wer in gewerblichem Ausmaß das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse in Anspruch genommen werden. 2Das gewerbliche Ausmaß kann sich sowohl aus der Anzahl der Rechtsverletzungen als auch aus der Schwere der Rechtsverletzung ergeben.

 

(2) 1In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Verletzte gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Absatz 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß
1. rechtsverletzende Vervielfältigungsstücke in ihrem Besitz hatte,
2. rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch nahm,
3. für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte oder
4. nach den Angaben einer in Nummer 1, 2 oder Nummer 3 genannten Person an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb solcher Vervielfältigungsstücke, sonstigen Erzeugnisse oder Dienstleistungen beteiligt war,
es sei denn, die Person wäre nach den §§ 383 bis 385 der Zivilprozessordnung im Prozess gegen den Verletzer zur Zeugnisver-weigerung berechtigt. 2Im Fall der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs nach Satz 1 kann das Gericht den gegen den Verletzer anhängigen Rechtsstreit auf Antrag bis zur Erledigung des wegen des Auskunftsanspruchs geführten Rechtsstreits aussetzen. 3Der zur Auskunft Verpflichtete kann von dem Verletzten den Ersatz der für die Auskunftserteilung erforderlichen Aufwendungen verlangen.

 

(3) Der zur Auskunft Verpflichtete hat Angaben zu machen über
1. Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse, der Nutzer der Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, und
2. die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Er-zeugnisse sowie über die Preise, die für die betreffenden Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse bezahlt wurden.

 

Quellen:

BGer 4A_115/2017: Urheberschutz für ‚HfG-Barhocker‘ von Max Bill

BGer 4A_115/2017: Urheberschutz für ‚HfG-Barhocker‘ von Max Bill

Das Schweizerische Bundesgericht hatte in einem Beschwerdeverfahren (Aktenzeichen: 4A_115/2017) über den Urheberschutz des ‚HfG-Barhockers‘ von Max Bill, einem ursprünglich für die Hochschule für Gestaltung (HfG) Ulm geschaffenen Barhocker, zu entscheiden. Mit Urteil vom 12. Juli 2017 (Aktenzeichen: 4A_115/2017)  sprach sie dem Barhocker Urheberschutz als Werk der angewandten Kunst im Sinne des Art. 2 Abs. 2 lit. f. Urheberrechtsgesetz (URG) zu.

Was war passiert?

Eine Stiftung, die die Wahrung der Werke von Max Bill bezweckt, hatte einer Möbelfabrik im Rahmen eines Lizenzvertrages das ausschliessliche Recht zur Herstellung und zum Vertrieb bestimmter von Max Bill entworfener Möbel eingeräumt. Dieser Lizenzvertrag wurde seitens der Stiftung zunächst ordentlich und dann fristlos im Jahr 2011 gekündigt. Hiergegen opponierte die Möbelfabrik und vertrat die Meinung, an den streitgegenständlichen Möbeln (u.a. der HfG-Barhocker) bestünden keine Schutzrechte. In der Folge bot die Möbelfabrik den streitgegenständlichen HfG-Barhocker weiterhin auf ihrer Webseite an. Die Stiftung schloss mit einer anderen Möbelmanufaktur einen neuen exklusiven Lizenzvertrag zur Re-Edition der gesamten „Max-Bill-Kollektion“.

Die Stiftung erhob vor dem Handelsgericht St. Gallen Klage und nahm die Möbelfabrik u.a. auf Unterlassung in Anspruch. Dieses verwehrte mit Urteil vom 30. November 2016 dem HfG-Barhocker den urheberrechtlichen Schutz im Wesentlichen mit der Begründung, die Formgebung des Hockers bestehe aus vorbekannten Elementen, die auf das absolute Minimum reduziert seien, so dass für weitere formale Ausgestaltungen kein Spielraum bleibe bzw. sich die Formgebung künstlerisch gar nicht mehr individualisieren lasse (vgl. Erwägung 2.7 des Bundesgerichts).

Das Bundesgericht führte zur Begründung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit des Barhockers u.a. aus:

2.1. (…) Geschützt ist, was sich als individuelle oder originelle Schöpfung von den tatsächlichen oder natürlichen Vorbedingungen im Rahmen der Zweckbestimmung abhebt (BGE 125 III 328 E. 4b S. 331; 117 II 466 E. 2a). Diktiert allerdings der Gebrauchszweck die Gestaltung durch vorbekannte Formen derart, dass für individuelle oder originelle Merkmale praktisch kein Raum bleibt, liegt ein rein handwerkliches Erzeugnis vor, das vom Schutz des Urheberrechts auszunehmen ist (BGE 125 III 328 E. 4b S. 331; 117 II 466 E. 2a; 113 II 190 E. I.2a S. 197; je mit Hinweisen). Dabei werden nach der Rechtsprechung bei Werken der angewandten Kunst verhältnismässig hohe Anforderungen an die Individualität gestellt; im Zweifel ist danach auf eine rein handwerkliche Leistung zu erkennen (BGE 113 II 190 E. I.2a S. 197 mit Hinweis; bestätigt im Urteil 4A_78/2011 vom 2. Mai 2011 E. 2.4).“

„2.2. Für Sitzmöbel besteht eine Vielzahl möglicher Formen, weshalb sich nicht sagen lässt, ihre Gestaltung sei weitgehend oder gar ausschliesslich durch deren Zweck vorgegeben. Es ist denn auch in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass sie urheberrechtlichen Schutz geniessen können (BGE 113 II 190 E. I.2a S. 197 mit Hinweisen). Erforderlich und hinreichend ist für diesen Schutz, dass über eine rein handwerkliche oder industrielle Arbeit hinaus eine individuelle künstlerische Gestaltung erkennbar ist, die sich von den vorbekannten Formen deutlich unterscheidet, was namentlich zutrifft, wenn sich das Möbelstück von bisherigen Stilrichtungen klar abhebt und eine neue Richtung einleitet oder wesentlich mitbestimmt (BGE 113 II 190 E. I.2a S. 197; vgl. auch BGE 134 III 547 E. 2 S. 549). Die Vorinstanz hat im vorliegenden Fall unter Bezugnahme auf das von ihr eingeholte Gutachten verneint, dass der HfG-Barhocker einen Stil wesentlich mitgeprägt habe. Der Hocker zeichnet sich nach den Erwägungen im angefochtenen Urteil durch seine reduzierte Formgebung aus, wobei das Konzept des Barhockers definiert wird als Verbindung einer runden Sitzfläche mit leicht schräg gestellten Beinen und einem Ring, der die Konstruktion stabilisiert und gleichzeitig als Fussstütze dient. Die Vorinstanz stellt fest, dass dieses Konzept zum Zeitpunkt der Entwicklung des HfG-Barhockers bekannt war und führt namentlich vier ältere Modelle an, in denen nahezu alle Bestandeselemente des HfG-Barhockers auf die eine oder andere Weise enthalten waren, wobei unerheblich sei, ob die Hocker drei- oder vierbeinig ausgestaltet seien, da die gemeinsame Urform mit ihren schräg in das Sitzbrett eingepassten Beinstollen weitere Varianten gleichsam vorgebe. Die Vorinstanz fügt zudem an, dass in etwa der gleichen Zeit ein Barhocker von Robin Day hergestellt wurde, dessen einziger Unterschied darin bestehe, dass die Stahlrohre unterhalb der Sitzfläche mittig zusammenlaufen, während sie beim HfG-Barhocker etwas auf Distanz gesetzt sind.“

„2.4. Die Beschwerdeführerin rügt zu Recht, die Vorinstanz habe eine unzulässige „mosaikartige“ Betrachtung angewandt, indem sie den vorbekannten Formenschatz in einzelne Elemente zergliedert und diese miteinander verglichen habe. Für den urheberrechtlichen Schutz entscheidend ist der künstlerische Eindruck der Formgebung, der nicht die notwendige oder gar ausschliessliche Folge eines einzelnen Bauelementes ist, sondern durch die Gestaltung, Linienführung und das Zusammenwirken aller Elemente bestimmt wird. Dabei kann zwar die Gestaltung eines Elementes dominieren und so hervorstechen, dass es prägend wirkt. Aber der Vergleich einzelner Elemente ist nicht entscheidend (vgl. BGE 113 II 190 E. I.2b S. 198). Nicht entscheidend ist jedenfalls, dass einzelne Elemente vorbekannt sind.“

„2.8.1. Die Vorinstanz hat den Gebrauchszweck, in dessen Rahmen vorbekannte Formen der Gestaltung zu berücksichtigen sind, zutreffend als Barhocker definiert. Die praktische Anwendung besteht in der Möglichkeit, die an einer Bar servierten Getränke und Speisen sitzend zu konsumieren; die Sitzflächen müssen daher auf einer Höhe angebracht sein, die der sitzenden Person die bequeme Erreichbarkeit der Angebote auf der Bar gewährleistet. Da Bars regelmässig für Konsumationen durch stehende Personen eingerichtet sind, sind sie etwa eine Treppenstufe höher als die üblichen Tische; entsprechend müssen die Sitzflächen um etwa eine Treppenstufe höher liegen als diejenigen für die Konsumation an Tischen. Um die Sitzfläche zu erreichen, muss eine Aufstiegsmöglichkeit bestehen. Der Gebrauchsgegenstand Barhocker ist daher so konzipiert, dass eine Sitzfläche auf Trägern in einer Höhe angebracht ist, die durch einen Aufstieg in Höhe einer Stufe erreicht werden kann; dabei hat sich herausgebildet, die Aufstiegsmöglichkeit durch eine horizontale Leiste ausserhalb oder innerhalb der Träger zu gewährleisten: diese dient gleichzeitig der Stabilisierung der Träger und erlaubt ausserdem der sitzenden Person, die Füsse darauf zu stellen.

2.8.2. Die Elemente, welche einen Barhocker seiner Funktion nach charakterisieren, bestehen somit aus Trägern, welche eine Sitzgelegenheit in Höhe von 60-80 cm tragen und um die auf einer Höhe von ca. 20 cm ab Boden eine horizontale Leiste angebracht ist. Der Spielraum für die Gestaltung von Hockern, welche diese Elemente aufweisen, ist nicht sehr eingeschränkt, wie schon die im angefochtenen Urteil als vorbekannt angeführten Formen zeigen (vgl. vorn B.b). Die Träger müssen nicht – in unterschiedlichem Winkel – abgeschrägt sein, sondern können auch völlig senkrecht ausgestaltet sein (in diesem Fall aus Gründen der Stabilität wohl am äusseren Rand der Sitzfläche). Die Sitzfläche ihrerseits kann unterschiedlich geformt sein (z.B. Rechtecke, runde oder ovale Formen, mit oder ohne Lehne). Die Leisten können eckig oder rund, innerhalb oder ausserhalb der Träger montiert sein. Ausserdem kann Materialwahl oder Farbgebung den Gesamteindruck der Gestaltung eines Barhockers wesentlich verändern.“

 

Fazit des Bundesgerichts:

 

„2.8.5. Durch die „minimalistische“ Ausgestaltung der für einen Barhocker notwendigen Elemente und ihre aufeinander abgestimmte Proportionierung erweckt der HfG-Barhocker einen Gesamteindruck, der ihn als solchen individualisiert und von den vorbekannten Modellen deutlich abhebt. Der urheberrechtliche Schutz kann diesem Werk angewandter Kunst daher nicht versagt werden. (…)“

 

Quellen:

BGH zum Umfang des urheberrechtlichen Zitatrechts der Presse

BGH zum Umfang des urheberrechtlichen Zitatrechts der Presse

Pressemitteilung Nr. 124/2017 des Bundesgerichtshofs vom 27.07.2017

Bundesgerichtshof legt Europäischem Gerichtshof Fragen zum Umfang des urheberrechtlichen Zitatrechts der Presse vor

Beschluss vom 27. Juli 2017 – I ZR 228/15 – Reformistischer Aufbruch

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Abwägung zwischen dem Urheberrecht und den Grundrechten auf Informations- und Pressefreiheit sowie zum urheberrechtliche Zitatrecht der Presse und zur Schutzschranke der Berichterstattung über Tagesereignisse vorgelegt.

Der Kläger ist seit dem Jahr 1994 Mitglied des Bundestags. Er ist Verfasser eines Manuskripts, in dem er sich gegen die radikale Forderung einer vollständigen Abschaffung des Sexualstrafrechts wandte, aber für eine teilweise Entkriminalisierung gewaltfreier sexueller Handlungen Erwachsener mit Kindern eintrat. Der Text erschien im Jahr 1988 als Buchbeitrag. Im Mai 1988 beanstandete der Kläger gegenüber dem Herausgeber des Buchs, dieser habe ohne seine Zustimmung Änderungen bei den Überschriften vorgenommen, und forderte ihn auf, dies bei der Auslieferung des Buchs kenntlich zu machen. In den Folgejahren erklärte der Kläger auf kritische Resonanzen, der Herausgeber habe die zentrale Aussage seines Beitrags eigenmächtig wegredigiert und ihn dadurch im Sinn verfälscht.

Im Jahr 2013 wurde in einem Archiv das Originalmanuskript des Klägers aufgefunden und ihm wenige Tage vor der Bundestagswahl zur Verfügung gestellt. Der Kläger übermittelte das Manuskript an mehrere Zeitungsredaktionen als Beleg dafür, dass es seinerzeit für den Buchbeitrag verändert worden sei. Einer Veröffentlichung der Texte durch die Redaktionen stimmte er nicht zu. Er stellte allerdings auf seiner Internetseite das Manuskript und den Buchbeitrag mit dem Hinweis ein, er distanziere sich von dem Beitrag. Mit einer Verlinkung seiner Internetseite durch die Presse war er einverstanden.

Vor der Bundestagswahl veröffentlichte die Beklagte in ihrem Internetportal einen Pressebericht, in dem die Autorin die Ansicht vertrat, der Kläger habe die Öffentlichkeit jahrelang hinters Licht geführt. Die Originaldokumente belegten, dass das Manuskript nahezu identisch mit dem Buchbeitrag und die zentrale Aussage des Klägers keineswegs im Sinn verfälscht worden sei. Die Internetnutzer konnten das Manuskript und den Buchbeitrag über einen elektronischen Verweis (Link) herunterladen. Die Internetseite des Klägers war nicht verlinkt.

Der Kläger sieht in der Veröffentlichung der Texte eine Verletzung seines Urheberrechts. Er hat die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Veröffentlichung der urheberrechtlich geschützten Texte des Klägers ohne seine Zustimmung sei auch unter Berücksichtigung der Meinungs- und Pressefreiheit der Beklagten weder unter dem Gesichtspunkt der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG*) noch durch das gesetzliche Zitatrecht (§ 51 UrhG**) gerechtfertigt. Mit ihrer vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Vorlage des Bundesgerichtshofs an den Europäischen Gerichtshof:

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vorgelegt.

Zum einen sind im Streitfall die Fragen entscheidungserheblich, die der Senat bereits in der Sache „Afghanistan Papiere“ zum Gegenstand eines Vorlagebeschlusses gemacht hat (BGH, Beschluss vom 1. Juni 2017 – I ZR 139/15, vgl. Pressemitteilung Nr. 87/2017 vom 1. Juni 2017). Darüber hinaus umfasst der Vorlagebeschluss Fragen zu den Voraussetzungen der Schutzschranken der Berichterstattung über Tagesereignisse und des Zitatrechts.

So hat der Bundesgerichtshof dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die öffentliche Zugänglichmachung von urheberrechtlich geschützten Werken im Internetportal eines Presseunternehmens bereits deshalb nicht als erlaubnisfreie Berichterstattung über Tagesereignisse gemäß Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der Richtlinie 2001/29/EG*** anzusehen ist, weil es dem Presseunternehmen möglich und zumutbar war, vor der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke des Urhebers seine Zustimmung einzuholen.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshof stellt sich im Streitfall weiter die Frage, ob es an einer Veröffentlichung zum Zwecke des Zitats gemäß Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG**** fehlt, wenn zitierte Textwerke oder Teile davon nicht – beispielsweise durch Einrückungen oder Fußnoten – untrennbar in den neuen Text eingebunden werden, sondern im Internet im Wege der Verlinkung als selbständig abrufbare PDF-Dateien öffentlich zugänglich gemacht und unabhängig von der Berichterstattung der Beklagten wahrnehmbar werden.

Der Bundesgerichtshof hat dem EuGH ferner die Frage vorgelegt, wann Werke im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG der Öffentlichkeit rechtmäßig zugänglich gemacht wurden und ob darauf abzustellen ist, dass die Werke in ihrer konkreten Gestalt bereits zuvor mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht waren. Das ist vorliegend fraglich, weil der Buchbeitrag des Klägers im Sammelband in einer veränderten Fassung erschienen und das Manuskript des Klägers auf seiner Internetseite mit den Distanzierungsvermerken veröffentlicht ist.

Vorinstanzen:

LG Berlin – Urteil vom 17. Juni 2014 – 15 O 546/13

Kammergericht Berlin – Urteil vom 7. Oktober 2015 – 24 U 124/14

*§ 50 UrhG lautet:

Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.

**§ 51 UrhG lautet:

Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. […]

***Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der Richtlinie 2001/29/EG lautet:

Die Mitgliedstaaten können für die Nutzung von Werken in Verbindung mit der Berichterstattung über Tagesereignisse in Bezug auf die in den Artikeln 2 und 3 vorgesehenen Rechte Ausnahmen und Beschränkungen vorsehen, soweit es der Informationszweck rechtfertigt und sofern – außer in Fällen, in denen sich dies als unmöglich erweist – die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers, angegeben wird.

***Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG lautet:

Die Mitgliedstaaten können für Zitate zu Zwecken wie Kritik oder Rezensionen in Bezug auf die in den Artikeln 2 und 3 vorgesehenen Rechte Ausnahmen und Beschränkungen vorsehen, sofern sie ein Werk betreffen, das der Öffentlichkeit bereits rechtmäßig zugänglich gemacht wurde, sofern – außer in Fällen, in denen sich dies als unmöglich erweist – die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers angegeben wird und sofern die Nutzung den anständigen Gepflogenheiten entspricht und in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist.

Quellen:

Gesetzesentwurf: Leistungsschutzrecht für Presseverlage im Internet

Das deutsche Bundesministerium der Justiz legte einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) vor (Bearbeitungsstand: 13.06.2012). Damit soll ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage eingeführt werden, um deren Presseerzeugnissen im Internet besser zu schützen und um eine Gleichstellung der im Online-Bereich tätigen Presseverlage mit anderen Werkvermittlern zu gewährleisten. Ziel des Gesetzes ist es auch, den Presseverlagen den Nachweis der oftmals komplexen Urheberrechte-Kette zu ersparen und ihnen ein originäres Recht an die Hand zu geben.

Der Schutzgegenstand des Leistungsschutzrechtes nach § 87f Abs. 2 UrhG-E sollen nicht die in einem Pressezeugnis enthaltenen Schriftwerke oder anderen Werke wie Licht-, Bewegtbilder oder Grafiken sein, „[…] sondern die zur Festlegung des Presseerzeugnisses erforderliche wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung des Presseverlegers[…]“, so die Gesetzesbegründung des Justizministeriums.

Betroffen von diesem neuen Gesetz wären grundsätzlich alle Content-Provider, die über News-Dienste, Soziale Netzwerke, Blogs, Kurznachrichtendiensten oder sonstige News-Aggregatoren, sog. Text-Snippets verlinken. Diese Text-Schnipsel bestehen aus wenigen Zeilen bzw. Wörtern und beinhalten zumeist den der Inhalt des verlinkten Presseerzeugnisses für den Leser in kurzem Umriss. Der Leser kann sodann bei weitergehendem Interesse an dem entsprechenden News-Thema den Snippet-Link anklicken und den vollständigen Beitrag lesen, wobei der Nutzer bei Aktivierung des Snippet-Links regelmässig auf die dem News-Beitrag zugrundeliegende Zieladresse geleitet wird.

Das Gesetz lässt Fragen zum Schutzbereich offen:

Unklar ist z.B., ob bereits eine verlinkte Überschrift ein „öffentliches Zugänglichmachen“ im Sinne des § 87f Abs. 1 UrhG-E darstellt und damit den Schutzbereich des Leistungsschutzrechts eröffnet oder ob dies erst der Fall ist, wenn neben die Überschrift noch weitere Textauszüge hinzutreten.

Unter Verweis auf die „Paperboy“-Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofes (BGH) aus dem Jahre 2003 (Urteil vom 17.07.2003, Az. I ZR 259/00) sei – so die Gesetzesbegründung – eine blosse Verlinkung von Presseerzeugnissen nicht erfasst; diese solle vielmehr weiterhin zulässig sein. Im Paperboy-Urteil hat der BGH entschieden, dass durch das Setzen eines Hyperlinks auf urheberrechtsgeschützte Inhalte auf eine vom Berechtigten öffentlich zugänglich gemachte Website nicht in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes eingegriffen wird. Gemäss BGH ist grundsätzlich auch das Setzen eines Hyperlinks in Form des Deep-Links, d.h. auf eine tieferliegende Seite der Website, zulässig. Der BGH schränkte jedoch seine Rechtsprechung im Jahre 2010 im sog. „Session-ID“-Urteil (Urteil vom 29.04.2010, Az. I ZR 39/08) für den Fall ein, dass durch einen gesetzten Deep-Link technische Schutzmassnahmen auf der angelinkten Website umgangen werden.
Es bleibt abzuwarten, wie der Begriff des öffentlichen Zugänglichmachens im Kontext eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger auszulegen sein wird.

Offen ist auch, was unter dem Begriff des „nicht gewerblichen Zwecks“ nach § 87g Abs. 4 UrhG-E und damit als eine gesetzlich zulässige Nutzung zu verstehen ist.
Die Gesetzesbegründung führt hierzu als Beispiel das Betreiben eines Blogs an und differenziert danach, ob der Blog Bezüge zu einer „beruflichen Tätigkeit“ aufweise bzw. der Blogbetreiber mittels Werbeeinblendungen oder der Einblendung eines Bezahl-Buttons eines Micropaymentdienstes seine Unkosten refinanzieren wolle. Diesfalls handele er zu gewerblichen Zwecken. Hingegen solle eine Gewerblichkeit bei jenen nicht gegeben sein, die einen Blog nur als Hobby unentgeltlich und ohne Bezug zur beruflichen Tätigkeit betreiben. Fraglich ist in diesem Zusammenhang beispielsweise, wie private Blogs oder Facebook-Accounts zu werten sind, auf denen Presseerzeugnisses verwendet werden, jedoch die Bezugnahme zur beruflichen Tätigkeit lediglich über einen weiterführenden Link gegeben ist.
Letztlich werden sich hierbei m.E. schwierige Abgrenzungsprobleme ergeben.

Klar ist zumindest, dass das Leistungsschutzrecht für Presseverleger – sofern das Gesetz in Kraft treten sollte – nicht uneingeschränkt gelten wird: So finden die im deutschen Urheberrechtsgesetz verankerten Schrankenbestimmungen, namentlich das sog. Zitatrecht gemäss § 51 UrhG, Anwendung, so der Verweis in § 87g Abs. 4 UrhG-E auf Teil 1 Abschnitt 6 (Schranken des Urheberrechts) des Urheberrechtsgesetzes.

Es bleibt abzuwarten, ob dieser Gesetzesentwurf die parlamentarischen Hürden nehmen wird.

Quellen und weiterführende Informationen:

  • Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 13.06.2012 (Bearbeitungsstand)
  • Deutsches Urheberrechtsgesetz, UrhG, (in der geltenden Fassung)
  • „Paperboy“-Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofes vom 17.07.2003
  • „Session-ID“-Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofes vom 29.04.2010

BGH: Privatpersonen haften für ihr eigenes WLAN

Privatpersonen könnten auf Unterlassung, nicht dagegen auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, wenn ihr nicht ausreichend gesicherter WLAN-Anschluss von unberechtigten Dritten für Urheberrechtsverletzungen im Internet genutzt werde. So hat der Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden. Der u. a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat führte dazu aus, dass auch privaten Anschlussinhabern eine Pflicht obliege, zu prüfen, ob ihr WLAN-Anschluss durch angemessene Sicherungsmassnahmen vor der Gefahr geschützt sei, von unberechtigten Dritten zur Begehung von Urheberrechtsverletzungen missbraucht zu werden. Dem privaten Betreiber eines WLAN-Netzes könne jedoch nicht zugemutet werden, ihre Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anzupassen und dafür entsprechende finanzielle Mittel aufzuwenden. Ihre Prüfpflicht beziehe sich daher auf die Einhaltung der im Zeitpunkt der Installation des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen.

Im zugrunde liegenden Fall ist die Klägerin die Inhaberin der Rechte an dem Musiktitel „Sommer unseres Lebens“. Dieser Titel wurde vom Internetanschluss des Beklagten aus auf einer Tauschbörse zum Herunterladen im Internet angeboten. Der Beklagte hatte dies jedoch nicht selbst verursacht, denn er war in der fraglichen Zeit in Urlaub. Die Klägerin begehrte nun vom Beklagten Unterlassung, Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten. Laut BGH hafte der Beklagte hier nach den Rechtsgründen der sog. Störerhaftung auf Unterlassung und auf Erstattung der Abmahnkosten. Diese Haftung bestünde schon nach der ersten über seinen WLAN-Anschluss begangenen Urheberrechtsverletzung. Hingegen sei der Beklagte nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Eine Haftung als Täter einer Urheberrechtsverletzung hatte der Bundesgerichtshof verneint, weil nicht der Beklagte den fraglichen Musiktitel im Internet zugänglich gemacht habe. Eine Haftung als Gehilfe bei der fremden Urheberrechtsverletzung hätte Vorsatz vorausgesetzt, an dem es im Streitfall fehle.

Quelle: BGH, Urteil des I. Zivilsenats vom 12.5.2010 – I ZR 121/08 -Pressemitteilung des Nr. 101/2010.